Anna Halprin
Anna Halprin

Über den Tod hinaus

Der Berliner Fotograf Jens Wazel erinnert mit seiner kleinen Ausstellung an die großartige Anna Halprin

Die Vernissage bot nicht nur die Möglichkeit die Tänzerin und Choreografin zu bewundern, sondern mit Menschen in Verbindung zu treten, die von ihr und ihrer Praxis geprägt wurden und sich zusammen an sie zu erinnern.

Berlin, 04/02/2022
Vor fast einem Jahr verstarb die Tanzikone Anna Halprin, die neue Verbindung zwischen Tanz, Trauma, Heilung und Natur herstellte und Pionierin der Expressive Arts Therapy war. Bereits als sie noch am Leben war, begann die Planung für die Foto-Ausstellung, die nun gestern mit einer kleinen offiziellen Vernissage in der Theaterbuchhandlung Einar & Bert in Berlin eröffnet wurde und durch ihren Tod nun eine andere Bedeutung bekommen hat. Zum Bewundern und Ehren ist ein Erinnern dazugekommen. Bei den Fotos und Filmen geht es auch gar nicht darum, Halprins Werk in voller Bandbreite oder tanzwissenschaftlich zu ergründen, sondern viel mehr hinter die Kulissen zu blicken und Anna Halprin als Menschen kennenzulernen. Jens Wazel ist das auf sehr schöne Weise gelungen.

Er selbst hat viele Jahre in den USA an der Westküste gelebt, wo er auch Halprin traf und bei ihr Unterricht nahm. Die Fotos und die drei Filme sind 2016 während eines Wochenendes entstanden, wo er sie mit der Kamera begleitet und interviewt hat. Ein Film zeigt sie tanzend in ihrem Studio, vor einer rostroten Wand und barfuß, mit 96 Jahren. Sie bewegt sich langsam, auf Zehenspitzen, wandert an der Wand entlang. Ein Zuschauer beschreibt es, als würde sie langsam in den Tod schleichen. Schon allein dieser Einblick ist berührend, besonders da es das letzte Mal war, dass sie tanzend gefilmt wurde. Später erzählt Wazel von genau diesem Moment, wie sie zusammen im Studio waren und sie auf einmal ohne Vorwarnung tanzen wollte und er ganz ehrfürchtig versuchte, die Kamera ruhig zu halten und alles auf sich wirken zu lassen.

Diese kleinen Anekdoten machen den Abend zu etwas ganz Besonderem. Zu jedem Foto, das durch die Slideshow läuft, kann er eine Geschichte erzählen. Es sind nicht nur Bilder von ihr, sondern von ihrem ganzen Universum: von ihrem Studio, ihrem Haus, den Bäumen und Bergen in Kalifornien, vom „Planetary Dance“ oder ihrem Geburtstag. Er kann genau beschreiben, wie es war mit Anna Halprin in der Küche zu sitzen, mit ihr zu frühstücken, Kaffee zu trinken und zu tanzen. Schnell wird klar, was für eine Bedeutung sie für ihn spielte und immer noch spielt.

Und dabei ist er nicht allein. Beinahe alle der Besucher*innen haben eine Verbindung zu Halprin. Einige haben mit ihr gearbeitet oder mit Schüler*innen von ihr, andere üben ihre Praxis. Dieser Austausch von Erfahrungen und Erinnerungen macht den Abend sehr intim und manchmal berührend. Da hat sich eine Gruppe von Menschen gefunden, die zwischen Bücherregalen sitzen und sich an eine beeindruckende Frau erinnern. Eine Besucherin beschreibt es am Ende wie eine Insel, auf der sie sich alle zufällig getroffen haben – für oder wegen Anna Halprin.

Dieser persönliche Blick, den die Ausstellung bietet, hebt nochmal auf andere Weise hervor, was sie alles geleistet und geschaffen hat. Nicht nur, dass sie sich über die Grenzen des modernen Tanzes hinweggesetzt hat, sondern dass sie es geschafft hat, eine Gemeinschaft zu bilden und Menschen mit sich und der Natur zu verbinden, auch über ihren Tod hinaus.

Die Bilder und Filme werden noch bis Ende März im Schaufenster von Einar & Bert zu sehen sein und es wird drei weitere Veranstaltungen geben. Der Eintritt ist frei.

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