"Mozart, Mozart" von Luca Signoretti. Tanz: Tommaso Quartani

Glühwürmchen mit zerzauster Perücke

Tanzabend „Mozart, Mozart“ am Theater Regensburg

Die Uraufführung des Tanzabends von Luca Signoretti und Georg Reischl zur Musik des Ausnahmekomponisten Wolfgang Amadeus Mozart geriet zum vollen Erfolg.

Regensburg, 04/05/2022

Alea iacta est, der Würfel ist gefallen. Beim Tanzabend „Mozart, Mozart“ am Theater Regensburg stimmt das nur bedingt, denn der überdimensionale Würfel auf der Bühne im großen Haus steht – bar jeder Zahl oder Ziffer – wie ein monolithisches Monument auf der Spitze. Ein Bild für die Götter, wie Mozarts Genie hineingeworfen in die Welt, das alles überragt und in seiner normale Dimensionen sprengenden Klarheit und überragenden Kraft menschliches Verständnis übersteigt. Andererseits war es für Ensemble, Bühnenteam und die beiden Choreografen ein gigantischer Plumps, als die Würfel für die mehrfach verschobene Uraufführung endgültig gefallen waren – aleae iactae sunt.

Nach der letzten Verschiebung vom März dieses Jahres, als aus bekannten Gründen der Premierentermin erneut verlegt werden musste, waren die Nerven aller Beteiligten reichlich angespannt. Umso größer waren Erleichterung, Freude und der Triumph nach der gelungenen Uraufführung am vergangenen Wochenende. Hellauf begeistert kam der Gatte von Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer mit den Bravo-Rufen kaum hinterher, als die Mitglieder des Tanzensembles ein ums andere Mal nach vorne liefen, um sich für den langanhaltenden Applaus zu bedanken.

Als Gastchoreograf leitete Luca Signoretti die erste Hälfte des Abends mit einer kurzen Sequenz ein, in der drei Tänzer*innen auf wunderbar amüsante Weise biografische Eckdaten des Musikgenies zusammenfassten. Der Abfolge des dritten Streichquintetts (C-Dur, KV 515) folgend, entfaltete er in lebhaften Bildern vier wesentliche Aspekte, die das kurze Leben des Salzburger Komponisten wesentlich prägten. Mit flatternden Notenblättern in weit ausgebreiteten Händen schuf das Ensemble mit geradezu kindlich-begeisternder Lust die Illusion von abenteuerlichen Reisen. Subtil erotische und sinnliche Momente im folgenden „Menuetto. Allegretto“ wiesen auf Mozarts Liebesleben hin, schwatzhaft-kichernde Grüppchen, die bar eines echten Verständnisses ihre Bewunderung in lauten Ohs und Ahs heuchelten, auf das reichhaltige gesellschaftliche Leben des lebenslustigen österreichischen Wunderknaben.

Geradezu fantastisch, was das tänzerische Timing und ein Versteckspiel mit lebensgroßen, wandelnden Notenblättern angeht, der Schlussteil des schnellen „Allegro“. Damit riskierte Signoretti einen zauberischen Blick ins Innenleben des Protagonisten, wobei sowohl dessen reichlich vorhandener Humor als auch seine zänkisch-vulgäre Seite zum Vorschein kamen. Ein traumhafter Einfall mit Notenprojektionen und einer überbordenden Fülle an Eindrücken.

Tanzchef Georg Reischl hat für seinen Teil des Tanzabends „Eine kleine Nachtmusik“, eine der populärsten Kompositionen Mozarts, und die kaum weniger bekannte Sinfonie Nr. 40 in g-Moll gewählt. Als gebürtiger Salzburger hat Reischl eine Art Hassliebe zu dem großen Meister mit seiner populistischen Dauerpräsenz in jeglicher Form von Pralinen bis Spieluhren entwickelt. Seine Sicht steht unter der Programmatik „Tradition und Innovation“ und drückt sich in zerzausten Barockperücken einerseits und einer Streetware-Ausstattung der Tanzenden mit Jeans, labbrigen T-Shirts und offenen Hemden (Kostüme: Min Li ) andererseits aus.

So genial wie witzig der Einfall, die Serenade Nr. 13 – „Kleine Nachtmusik“ – im nächtlichen Dämmerlicht vor großartiger Kulisse (Bühne: Natascha von Steiger) mit von Taschenlampen beleuchteten Gesichtern tanzen zu lassen. Wie Geister oder Glühwürmchen schweben und geistern die Tänzer*innen durch den Bühnenraum und entfalten damit einen magischen Charme, der sich in aufbrausendem Applaus entlädt.

Den zweiten Teil kreierte Reischl als kontrastreiche Mischung von fließenden Tanzbewegungen, kantig-clownesk-affigem Club-dancing und hinreißenden solistischen Parts. Nach einem gewissen Leerlauf im dritten Satz kulminiert das Geschehen in einem wilden Durcheinander, einem atemberaubenden tänzerischen Finale.

Die skizzenhaften Blicke auf das Leben und Arbeiten des großen Komponisten erweitern in der mitreißenden Umsetzung durch das grandiose Ensemble die oft klischeehaften Perspektiven auf unerwartete und wunderbare Weise.     

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