Noé Souliers „Passages” und “Fragments”

Mit Anlauf

In München eröffnet die jährlich stattfindende Tanzwerkstatt Europa mit Noé Souliers „Passages” und „Fragments”

Soulier setzt einen energetischen Start und zugleich die Messlatte hoch mit einem überzeugenden Abend zwischen Tanz und Film.

München, 03/08/2022

Anlauf, kraftvolle Sprünge, schleudernde Extremitäten, Turnschuh-Quietschen, Aufstampfen, Abrollen, schnelle Drehungen. Schulterblick, Ausatmen, Seufzen – und alles noch mal von vorne. Noé Souliers stark rhythmisch geprägte und trotzdem durchgehend fließende Choreografie „Passages” für fünf Tänzer*innen spielt mit Raumrichtungen, Körperachsen, klaren Linien und Wiederholung. Musik braucht es nicht. Akzentuiertes Atmen, Stöhnen und das Aufprallen der sich in den Raum werfenden Körper geben den Takt an.

Mal gleichzeitig, mal leicht versetzt bewegen sich die Tänzer*innen präzise, raumgreifend und formenstark durch den Raum und entfalten dabei immer wieder kleine Gesten, die wir aus dem alltäglichen Kontext kennen, in ausladende, energetische und hoch virtuose Tanzschritte, die exzellente zeitgenössische Tanztechnik feiern. Zwischendrin abrupte Stopps. Gesten, die mehr verraten als sie zeigen, dürfen einen Moment innehalten. Ein kurzer Blick. Weiter geht’s.

Unermüdlich wechseln sich die Tänzer*innen im großflächig genutzen Raum der Muffathalle in tänzerischen Sequenzen ab und schaffen immer wieder neue harmonische Gruppenkonstellationen und geometrische Raumbilder. Die mathematische Logik der Komposition und ihre Phrasenhaftigkeit erinnern an die stilistische Bewegungssprache von Anne Teresa De Keersmaeker. Auch die schlichten legeren Kostüme in gedeckten Farben erinnern an ihre Arbeiten.

Die im Anschluss gezeigte filmische Arbeit „Fragments” setzt den Punkt auf das vorab live Gesehene. Ähnlich kraftvolle Tänzer*innen, ähnlich geschmackvolle Kostüme wie aus einer Muji-Werbung, Bewegungen wie aus dem Repertoire von Keersmaeker. Nur eben verdichtet auf den Rumpf der Tanzenden und ihren stoßenden Atem, der ihre kraftvollen und ruckartigen Bewegungen induziert. Die belgische Ikone der Repetition, die mit ihrem langatmigen Abend „Mystery Sonatas / For Rosa“, der gerade bei Impulstanz zu sehen war und das Publikum teilweise zum vorzeitigen Verlassen des Theaters brachte, könnte sich hier ein Beispiel nehmen.

Die sichtlich von der wieder erwachten und doppelt intensiven Spielzeit erschöpfte Tanzszene war dankbar für den konsequenten und ästhetischen Abend. Drängeln an der Bar und Vorfreude auf die weiteren Vorstellungen der Tanzwerkstatt Europa!

 

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