"Eye, Lash" von Kat Válastur

Ästhetische Mystik

Kat Válastur verwandelt das HAU 2 in Berlin in einen Raum zwischen Science-Fiction und Mystik.

Die Filmversion von „Eye, Lash!“ war bereits im März 2021 zu sehen. Nun wird die Arbeit endlich live und vor Publikum auf der Bühne gezeigt.

Berlin, 04/05/2022

Der Bühnenraum des HAU scheint unter Wasser gesetzt worden sein. Der Boden ist teilweise bedeckt mit Fliesen, manche grau oder braun, manche verspiegelt. Der Rest ist tiefschwarz und reflektiert das Licht der Scheinwerfer. Nach einigen Momenten wird klar: Da ist tatsächlich überall Wasser. Man befindet sich entweder in einem Spiegelsaal oder einer Waldlichtung, vielleicht beides zusammen. Auf jeden Fall ist es ein Raum voller Magie.

Kat Válastur verkörpert an diesem Abend verschiedene weibliche Archetype. Sie beruft sich auf Geister von Frauen der Geschichte und der Kunst, die ausgegrenzt, unterdrückt und missbraucht wurden. Mit simplen Mitteln rekreiert sie die Figur der Tochter in Andrei Tarkovskys Film „Stalker“, erweckt die spätmittelalterliche Mystikerin Marguerite Porete, die auf dem Scheiterhaufen hingerichtet wurde, und ihre Philosophie des Spiegels zum Leben. Das gelingt ihr ganz wunderbar. Und auch wenn man diesen thematischen Hintergrund nicht hat und vieles inhaltlich ein bisschen schwer zu ergründen ist, schwappt diese weibliche Energie, diese spirituelle Atmosphäre in den Zuschauerraum über.

Es ist ein Abend voller Metaphern, Bilder und Bezüge. Das spiegelnde Wasser und die Fliesen weisen auf Porete hin, die das Thema des Spiegels als etappenweise Befreiung der Seele von allen Abhängigkeiten, die einen Menschen (besonders Frauen) in Knechtschaft halten. Wenn der Bühnenraum in rotes Licht getaucht wird, erinnert das an den Scheiterhaufen, auf dem sie und so viele andere Frauen verbrannt wurden. Gleichzeitig könnte sie sich in der „Zone“ von Tarkovskys Film befinden, einem Raum voll übernatürlicher und magischer Energie. Nicht nur die Atmosphäre erinnert daran, sondern auch die überall verteilten Vasen mit Blumensträußen. Generell: Das Bühnenbild von Ulrich Leitner ist ein kleines Kunstwerk. Zwischen Bewegung, Sprache und Bildern nähert sich Kat Válastur all jenen Frauenfiguren an. Alles hallt buchstäblich wie ein Echo im Raum, begleitet vom Tropfen und Plätschern des Wassers.

Was fehlt ist eine Steigerung. Wie die Inszenierung dramaturgisch und auch ästhetisch beginnt, so hört sich auch auf. Es werden Bilder kreiert, Silben gehaucht und Wortfetzen aus dem Off geflüstert, immer wieder unterbrochen von Bewegungs- und Tanzmomenten – davon auch leider nicht so viele. Ein Höhepunkt oder gar roter Faden lässt sich leider nicht erkennen. Das macht den Abend dann doch ein wenig langatmig, so schön er auch anzusehen ist. Die optische und akustische Ästhetik macht vieles wieder wett.

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