„Die goldene Regel“, Tanzcompagnie Gießen in der Choreografie von Thomas Noone

„Die Goldene Regel“

Tanzcompagnie Gießen in der Choreografie von Thomas Noone

Zum TanzArt ostwest-Festival in Gießen gehört traditionell die letzte Aufführung im Großen Haus, und eine Premiere auf der taT-Studiobühne. Ballettdirektor Tarek Assam holte für den taT-Abend Gastchoreograf Thomas Noone aus Barcelona.

Der Kontakt zu dem gebürtigen Engländer, der seit fast 25 Jahren in Barcelona lebt und seine eigene, weltweit tourende ThomasNooneDance Company hat, besteht schon länger. Zunächst terminbedingt, dann wegen Corona musste verschoben werden. Der mehrfach variierte Titel lautet nun „Die goldene Regel“. Untersucht wird die Frage, ob es eine grundlegende Regel gibt. Unser Leben besteht aus permanenten Entscheidungen, großen und kleinen, bewussten und unbewussten. Abweichungen können unser Denken und Handeln, auch unsere Emotionen verändern. Ab wann bemerken wir das?

Thomas Noone lotet das Thema in der Kombination von wechselnden Dreiecksbeziehungen aus. Die Bühnenmittel sind auffallend reduziert. Eine dreiecksförmige Deckenstableuchte wechselt zwar in der Lichtstärke und -farbe, hinterlässt aber im Grunde einen sehr gleichbleibenden, immer nur leicht variierten Eindruck. Daran ändern auch die gelegentlich eingesetzten Seitenstrahler nichts. Der Boden ist spiegelnd schwarz und gibt zusätzliche Lichteffekte. Die Tanzenden tragen bequeme Kleidung, luftige Hosen, T-Shirts und Socken in verschiedenen Farben von Thomas Döll, der auch das Licht gestaltet.

Der eigens für das Tanzstück geschriebene Sound ist von dem katalanischen Komponisten Marti Noguer. In jeder Szene entsteht dadurch eine eigene Stimmung: unheimliches Dröhnen, harmonische Gongklänge, treibende Geigen, tief brummende Bratschen, harte Techno-Beats, zielloses Wabern. Der Bewegungsstil ist weich fließend, sehr auf körperliche Nähe und das Miteinander konzentriert. Manchmal kommen darstellerische Elemente wie Blicke und Gesten zum Tragen. Alle Raumebenen werden nach und nach genutzt, das Stehen und Drehen, das Liegen und Wälzen, das Heben und Fallenlassen. In der Premierenbesetzung sind es zwei Tänzer und vier Tänzerinnen, das könnte sich bei den anderen Vorstellungen wandeln und eventuell andere Wirkungen erzielen.

Das erste Trio berührt sich körperlich überhaupt nicht, die gegenseitige Beeinflussung scheint auf energetischen Ebenen abzulaufen. Dann folgt ein weibliches Trio, das sich beständig an den Händen berührt und sich der Position der eigenen Köpfe zu versichern scheint. Das nächste Frauen-Trio bewegt sich rhythmisch präzise zum Techno-Sound, erstmals fällt eine Person hin (Izabella Anastasiou). Auf dem Boden liegend blickt sie die anderen unsicher, fast ängstlich an. Doch sie helfen sich wieder auf, Chiara Zincone entwickelt sich zur tonangebenden Figur.

In der folgenden Konstellation kommt ein Paar herein: er trägt sie, sie klammert sich an ihn. Hier gelingt es der dritten Person zunächst nicht, Kontakt aufzubauen, wird sogar weggestoßen, weil sie die Zweisamkeit stört. Allmählich ändert sich auch diese Beziehung. Die nächste Gruppe, bestehend aus den beiden männlichen Tänzern Oskar Eon und Floriado Komino mit Emma Jane Howley, brilliert mit zahlreichen, ineinander übergehenden Hebefiguren. Wirkt die Tänzerin anfangs wie eine passive Puppe, die herumgeschwenkt wird, löst sie sich aus der Abhängigkeit, wird aktiv und zähmt die Partner. Als nächstes trägt die kleine Madeleine Salhani den großen Tänzer herein. Gemeinsam mit der Dritten nutzen sie die Rückseite ihrer Hände, um die eigenen Grenzen und die der anderen zu ertasten. Das wirkt erstaunlich ungewohnt.

Und zum Ende hin erscheinen alle Sechs auf der Bühne, es gibt eine Art Kurzrevue des Gesehenen und einen gemeinsamen, dynamischen Part. Dann verschwindet eine nach dem anderem, es bleibt nur noch eine verunsicherte Person zurück, Licht und Sound sind wieder bedrohlich. Alles zurück auf Anfang? Wenn in diesem Tanzstück eine grundlegende Regel gefunden wurde, dann die, dass gemeinsam alles besser geht. Gemeinsam geht es bis Pfingstmontag weiter mit dem TanzArt-Festival.

 

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