"Outwitting the Devil"

"Outwitting the Devil" von Akram Khan

Der Tod des Tyrannen

Akram Khans Tanzstück „Outwitting the Devil” als Gastspiel im Theater im Pfalzbau in Ludwigshafen

Akram Khan bietet jede Menge höchst eindrucksvolles Bühnendrama auf – aber kann man den Teufel tatsächlich mit seinen eigenen Waffen schlagen?

Ludwigshafen, 07/02/2022
Der Teufel ist ein mächtiger Gegner. Bereits 1938 schrieb Napoleon Hill das Buch „Outwitting the Devil“ als Streitgespräch mit dem inneren, teuflischen Teil der eigenen Persönlichkeit – erst 2011 veröffentlicht, macht das Buch seitdem eine verblüffende Ratgeber-Karriere. Der britische Choreograf Akram Khan borgte sich 2019 den Titel für ein Tanzstück, dessen angedachte Welttournee vorübergehend von Corona ausgebremst wurde. Wo Akram Khan draufsteht, sind Superlative oder zumindest verblüffende Überraschungen drin: Er arbeitete nicht nur mit der Starballerina Sylvie Guillem, sondern spannte auch Kultschauspielerein Juliette Binoche in eine Tanzshow ein, wirkte an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in London mit und ist auf Netflix vertreten. Kulturelle Vielfalt hat den Sohn einer aus Bangladesch stammenden Familie geprägt – was er am eigenen Leib erlebt hat, die Verbindung von überliefertem und zeitgenössischem Tanz, ist das Markenzeichen seiner weltweit erfolgreichen Choreografien geworden.

Für „Outwitting the Devil“ hat sich Khan vom Gilgamesch-Epos inspirieren lassen; der Name des titelgebenden Tyrannen lautet übersetzt: „Der Alte ist ein junger Mann“. So konfrontiert Khan auf der Bühne den Alten an der Schwelle des Todes mit seinen jüngeren Alter Egos. Wie üblich setzt er dabei auf unterschiedlichste Tänzerpersönlichkeiten, die jeweils ihren eigenen kulturellen Hintergrund mitbringen. Tänzer-Schauspieler François Testory, auf die 70 zugehend, unterzieht sich dabei als Gilgamesch einer tänzerischen Tour de Force. Der hagere, gleichwohl beeindruckend athletische Alte begegnet auf der schwarz ausgeschlagenen, nur mit schwarzem Gestein dekorierten Bühne (Tom Scutt) seinen inneren Dämonen, die ihm die Untaten auf seinem Lebensweg noch einmal vor Augen führen. Gier, Umgang mit der Natur, Macht und deren Missbrauch, Liebe und Tod sind beherrschende Themen des Gilgamesch-Epos. Aus diesen Bausteinen kreiert Akram Khan eine aktuelle Fabel, in der die einmal ausgesäte Gewalt in vielfacher Gestalt wiederkehrt und am Ende deren Urheber verschlingt.

Die drei weiteren Tänzer aus seiner Company werden in der Choreografie bis an ihre physischen Grenzen gefordert und bringen so unterschiedliche Erfahrungen mit wie brasilianischen Forró, traditionellen philippinischen Tanz, Kampfsport und Urban Dance. Für das weibliche Gegengewicht sorgen zwei Tänzerinnen: die junge Griechin Elpida Skourou und die Inderin Pallavi Anand – letztere als einziger Farbtupfer in Rot und Gold an die Muttergöttin Ischtar anspielend. Für das Sounddesign sorgt Akran Khans Hauskomponist Vincenzo Lamagna: meist krachend laut und martialisch, unterbrochen nur von gehauchten französischen Sentenzen und beschwörenden Streicherklängen.

Es gibt jede Menge auf die Augen und die Ohren in diesem pausenlosen 80-Minuten-Stück, je länger desto wütender. Die Choreografie ist heftig und ruppig – zwischen den einzelnen Szenen geben nur angehaltene Posen kurze Verschnaufpausen. Es kann nicht gut ausgehen, wenn man den inneren Teufel von der Leine lässt, im Umgang mit Menschen nicht und nicht im Umgang mit der Natur. Akram Khan bietet für diese Einsicht jede Menge höchst eindrucksvolles Bühnendrama auf – aber kann man den Teufel tatsächlich mit seinen eigenen Waffen schlagen?

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