"Fliegende Wörter" von Ceren Oran & Moving Borders

Mehr Schiller war selten

"Fliegende Wörter" von Ceren Oran & Moving Borders bei Tanz!Heilbronn

Ein heiteres Spiel für junges Publikum. Atemraubend sind körperliche Durchlässigkeit, punktgenaue Präsenz und verspielte Leichtigkeit der Akteur*innen.

Heilbronn, 24/05/2022

Es war nicht so einfach eine Schule zu finden, die das Projekt „Fliegende Wörter“ zu sich einlädt, war vom Theater Heilbronn zu hören. Aus pädagogischer wie gesundheitspolitischer Sicht ist das völlig unverständlich, denn ein Tanzstück für Klassenzimmer, wie es sich die Choreografin Ceren Oran ausgedacht hat und wie es im Rahmen des Festivals „Tanz!Heilbronn“ den Schulen angeboten wurde, sollte eigentlich Teil des Lehr- und Lernangebots sein – als Stichworte seien notorischer Bewegungsmangel und gerätegefilterte Umweltwahrnehmung, die uns eine Glotz-auf-die-Hand Stupidität beschert hat, genannt. 

Wenn junge Menschen nicht ins Theater gehen, dann machen wir doch einfach die Schule, beziehungsweise das Klassenzimmer zum Theater! Das war der Grundgedanke von Ceren Oran. In Istanbul 1984 geboren, studierte sie zunächst in Salzburg zeitgenössischen Tanz und kam dann nach München, wo sie seit acht Jahren freiberuflich als Tänzerin und Choreografin arbeitet.  „Trag mich!“ (2010) hieß ihre erste Performance für junges Publikum. Seither sind vier weitere Stücke entstanden, darunter „Fliegende Wörter“ (2019), das in der Biberacher Grundschule von Lehrerinnen wie Schülerinnen und Schülern der zweiten und dritten Klassen mit Spannung verfolgt wird.

Die Zutaten sind drei passionierte Künstler: Die österreichische Geigerin und Musikpädagogin Gudrun Plaichinger sowie die Tänzerin Jin Lee, und kurzfristig eingesprungen, ebenfalls aus Südkorea, der Tänzer Ji Hun Choi. Er hat das Stück in nur sechs Stunden einstudiert, erfahren die Zuschauer im Nachgespräch und würdigen das mit einem Extraapplaus. 

Vor der Tafel ist eine kleine Aktionsfläche, um die herum die rund 50 Drittklässler in Halbkreisen sitzen, vorne am Boden, dahinter auf Stühlen. Während der 40-minütigen Spieldauer werden ab und zu Wörter wie Klang, Rhythmus, Geräusch, Feuer, Spiegel von einem der Akteure an die Tafel geschrieben. Sie bezeichnen das jeweilige Musik- und Bewegungs-Thema.

Virtuos mäandern die Tänzer*innen zwischen Tischen und Stühlen. Schwerelos bewegen sie sich spiralig vom Boden in den Stand, sind im Nu auf einem Tisch für ein kurzes, inniges Duett mit dem Vorhang. Techniken wie Kontaktimprovisation, Spiegelübungen oder eine Skulptur zu Dritt, halten im Wechsel mit Kinderspielen wie „blinde Kuh“ den Bewegungsfluss in Gang und immer wieder Überraschungen bereit. Atemraubend sind körperliche Durchlässigkeit, punktgenaue Präsenz und verspielte Leichtigkeit der Akteur*innen.  

Kongenial agiert die auf elektronische Violine und elektronische Musik spezialisierte Musikerin. Ihr Augenmerk gilt live-generierter Elektronik: Klang, Gesang und Geräusche verwebt sie eng mit dem dramaturgischen Geschehen. Das ist eine rhythmisch wie harmonisch solide Basis für die gewagten Tanzabenteuer. 

„Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“, das Zitat verkörpert das Trio hochprofessionell: selbst Abbau und Aufräumen verwandeln sich in ein heiteres Spiel – mehr Schiller war selten!

 

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