"Ballett Impulsiv III" von Antoine Jully, Tanz: Garance Vignes

Charakter-Vignetten

Antoine Jully lässt in Oldenburg seinem Ensemble Raum für individuelle Entfaltung

Neben Soli und Pas de Deux kreiert Antoine Jully für seine Tänzer*innen Arbeiten, die ganz auf die jeweilige Persönlichkeit zugeschnitten sind

Oldenburg, 23/05/2022

Der Abend „Ballett Impulsiv III“ ist ein sehr vielseitiges Programm, das nicht nur Einblicke in die vielen Möglichkeiten gibt, wie man heute Ballett praktizieren kann, sondern gleichzeitig den einzelnen Tänzerpersönlichkeiten Raum für individuelle Entfaltung lässt.

Vincent Tapia tanzt in „Le Mots“ skurril, witzig und etwas durchgedreht, Garance Vignes berührt in „Little Fado“ mit Zartheit und Eleganz, Lester René Gonzáles Álvarez beeindruckt in „The Dying Poet“ mit einer eigenwilligen Studie und Maelenn Le Dorze begegnet in kühlem Blau dem emotionellen Fado-Song „Com que voz“.

Ein anderer Schwerpunkt des Programmes: die Grand Pas de Deux des klassischen Ballett-Repertoires, die zeitlos von allen Ballerinen und Ballerinos der Welt getanzt werden. Sie sind voller technischer Schwierigkeiten und erfordern ein hohes Maß an Können. Gleich zu Beginn tanzt Seu Kim blitzsauber und mit einer gewissen Nonchalance das Solo aus dem 3. Akt des Balletts „Paquita“. Dann der berühmte Pas de Deux aus „Don Quixote“ in der Langform: Entrée - Pas de Deux - je eine Variation - Coda: souverän dargeboten von Teele Ude und Fran Kovačić, der gerade frisch von der Mannheimer Ballettakademie nach Oldenburg engagiert wurde. Er tanzt mit profunder Technik und großer Präsenz und passt perfekt mit der tanztechnisch hochkarätigen Teele Ude zusammen, die sich immer mehr zu einer reifen, modernen Ballerina entwickelt.

Der Chef der Oldenburger Ballett Compagnie zeigt auch in diesem Programm seine Flexibilität, denn wegen allzu vieler – zum Teil coronabedingter - Ausfälle im Ensemble musste die eigentlich für diesen Abend geplante Premiere „Kratt“ verschoben und kurzfristig umdisponiert werden. Antoine Jully nutzt das Gebot der Stunde, um sich kreativ weiterzuentwickeln und probiert neue Möglichkeiten aus. In dem Fragment „Weight“ zur zeitgenössischen Musik des finnischen Komponisten Einojuhani Rautavaara experimentiert Jully mit einer Idee des zeitgenössischen Tanzes: das Spiel mit dem Gewicht, das sich fallen lassen, auffangen und tragen. Er variiert diese Impulse auf seine ganz eigene Art zu neuen Tanzbildern. Hier kann man dem Choreografen auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen förmlich zuschauen.

Nach noch mehreren weiteren Kurzstücken - eines sei hier noch genannt: ein wechselvolles, charmantes Ränkespiel von drei Paaren in „ La non-demande en mariage“ zu einem Chanson von Georges Brassens - vereint sich zum Schluss das gesamte Ensemble zu einem rasanten Tanz-Finale: zur „Grand Tarantelle“ von Louis Moreau Gottschalk sieht man die Compagnie in blauen Ganztrikots in bekannter Homogenität voller Freude über die Bühne fegen - ein „Rausschmeißer“ mit einem Schlußtableau à l`ancienne, der zum Wiederkommen animiert.

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