„Piazzolla Tango / En tus Ojos“

„Piazzolla Tango / En tus Ojos“ von Luciano Padovani

Zerreißprobe für den Komponisten

„Piazzolla Tango / En tus Ojos“ mit der Compagnia Naturalis Labor bei den Ludwigshafener Festspielen

Hier enthält sich der Tango aller erotischen Anzüglichkeiten. Das ist ehrenwert und ein bisschen schade, denn die rauen, aber durchaus auch emanzipatorischen Spielarten dieses Tanzes wurden ausgespart.

Ludwigshafen, 04/11/2021
Es war ein Geniestreich: 2015 hat der Choreograf Luciano Padovani mit seiner Compagnia Naturalis Labor (Vicenza) eine Tango-Adaption von Shakespeares Klassiker „Romeo und Julia“ produziert – ein international erfolgreicher Hingucker. Zwei Jahre später gab es einen Nachschlag des ästhetischen Erfolgsrezepts: Das Stück „Piazzolla Tango / En tus Ojos“ wurde von Kurator Marco Goecke für die Ludwigshafener Festspiele ausgewählt. Natürlich ist auch diese Choreografie keine Tango-Show, sondern ein Tanztheater in der Sprache des Tango Argentino – der immerhin seit 2009 zum Weltkulturerbe gehört.

„Mit deinen Augen“ heißt der Untertitel der Choreografie, und gemeint sind die Augen des Komponisten, dessen Name heute beinahe als Synonym für Tangomusik steht. Astor Piazzolla hat den „Tango Nuevo“ konzertsaalfähig gemacht, und doch war das keine Liebe auf den ersten Ton, im Gegenteil. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich Piazzolla, der eigentlich vom Jazz fasziniert war, mit der traditionellen Tanzmusik auseinandersetzte – und noch länger, bis er tatsächlich damit Erfolg hatte.

Das Stück setzt ganz auf die Zerrissenheit des Künstlers, der zwischen Tradition (musikalisch von authentisch kratzenden Platten) und Innovation (seine eigenen Kompositionen, live auf der Bühne von einer kleinen Band vorzüglich dargeboten) schwankt. Der Tango ist hier durchweg ein düsteres, eher melancholisches Element, dargeboten von drei individuell höchst unterschiedlichen Paaren. Bühne und Kostüme sind schwarz, und an der Bühnenrückwand hängen starre Regenmäntel in trister Formation. Nur eine Muse in mädchenhaftem Unschuldsweiß darf den mit seiner eigenen Kunst hadernden Komponisten zeitweilig in ihren Bann ziehen.

Freilich, eine echte Entwicklung über die permanente Zerreißprobe hinaus bleibt dem Bühnen-Piazzolla versagt, und der Tango, der zu seiner Musik getanzt wird, enthält sich aller erotischen Anzüglichkeiten. Das ist ehrenwert und ein bisschen schade, denn die rauen, aber durchaus auch emanzipatorischen Spielarten dieses Tanzes wurden ausgespart. So war der Beifall sehr freundlich, aber nicht überschwänglich.

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