"Schwingende Steine und Körper"

"Schwingende Steine und Körper" von Jana Korb und Stéphanie N’Duhirahe

Schwebende Steine

Das Lofft Leipzig zeigt "Schwingende Steine und Körper"

Ein Stein ist im Grunde die Antithese zu Tanz und Akrobatik. Vielleicht gerade deshalb haben sich die beide Artistinnen Jana Korb und Stéphanie N’Duhirahe für ihre Performance diese bisweilen eher kantigen Naturobjekte ausgesucht.

Leipzig, 22/11/2021
Schwer, klobig und unbeweglich sind sie alles andere als das dynamische Ideal des fast schwebenden kunstfertigen Menschen: Steine. Jana Korb und Stéphanie N’Duhirahe haben das als Herausforderung des Erkundens der Grenzen zwischen der schweren Reglosigkeit und den Bewegungsmöglichkeiten des Menschen genutzt.

Die beiden kommen aus der Artistik: Korb ist Trapezkünstlerin und N’Duhirahe arbeitet primär am Seil. Ein immer wiederkehrendes Motiv des Abends ist die Frage von Balance und Gewicht mit Steinen auf und am Körper. So erinnert das erste Bild entfernt an eine Wellness-Oase. Beide liegen mit nacktem Oberkörper auf dem Boden und balancieren Steine auf ihrem Rücken. Allerdings keine kleinen Wärmesteine sondern große Felsbrocken. Das Licht ist abgedimmt, und aus den Boxen dringt ein atmosphärisches Knarzen und Knistern, später wird Roman Dzacar auch noch geloopte Gitarrensounds dazu geben.

Diese leicht düstere Stimmung trägt durch den Abend, denn die Geschichten erzählen etwa von der Urgroßmutter von N’Durihae, die im Kolonialkrieg 1916 bei der Schlacht von Tabora im heutigen Tansania ihren Sohn in einer Höhle gebären musste. Dazu gibt es Kletternummern an Seil und Trapez, alles getragen von einer hohen Genauigkeit und Langsamkeit in der Ausführung. Hier geht es weniger um ein Herausstellen der artistischen Fähigkeiten, sondern um das Erzeugen ästhetischer, ja poetischer Eindrücke. Ein weiches Fließen über die Geräte mit und ohne Steine, begleitet von gesprochenem Text, der Frage von Gewicht, Ballast und Narben. N’Durihae klettert dabei bis ins Gebälk des Theaters, wobei dieses Klettern eher ein Fließen darstellt, das niemals gerade verläuft, sondern von einem sanften Auf und Ab gekennzeichnet ist und doch schließlich hoch über den Köpfen des Publikums sein Finale findet. An anderer Stelle nutzt Korb vier im Bühnenhintergrund schwingende Steine, um auf und mit ihnen, ähnlich wie bei den Kugelspielen, die im Klischee immer auf Schreibtischen stehen, durch die Zeit zu gleiten. Dabei werden die Steine einzeln hoch und runter gezogen, so dass sich auch hier tolle Bilder einstellen, die sich auch aus der Verletzlichkeit der schroffen Naturdinge und der damit agierenden Körper ergeben.

Der zweite Teil des Abends, in dem Korb in einen Dialog mit dem Publikum tritt, um als Luftartistin improvisierte Übungen mit Steinen am Trapez zu absolvieren, kann an diese poetische Dichte nicht anschließen. Nach einem letzten Exerzitium, dem Balancieren von Steinhaufen auf den Köpfen, endet dieser Abend des neuen Zirkus, eine Linie, die das Leipziger Lofft schon seit längerem verfolgt und die eigentlich Mitte Dezember in einem kleinen Festival unter dem Titel „Zirkus trifft Tanz“ münden sollte. „Schwingende Steine und Körper“ zeigt einmal mehr, dass es sich lohnt, an dieser Schnittstelle der artistischen Bewegungskunst zu forschen, um erfolgreich neue poetische Räume zu öffnen.

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