Klaus Geitel und Günter Pick im Gespräch
Klaus Geitel und Günter Pick im Gespräch

Der Grand Seigneur der Ballettkritik Klaus Geitel ist tot

Ein persönlicher Nachruf

Im Alter von 91 Jahren starb der Musik- und Tanzjournalist Klaus Geitel in Berlin. Günter Pick erinnert an seinen langjährigen Weggefährten.

Berlin, 18/06/2016

Am vergangenen Dienstag starb Klaus Geitel. Er war einer der großen überregionalen, ja internationalen Kritiker, die wir in Deutschland hatten und als ich ihn kennenlernte, war er in Berlin fest angestellt. Er machte ein wenig den Eindruck auf mich, als sei er ein Bruder des anderen Großkritikers Horst Koegler, der noch Jahre lang freischaffend war. Beide liebten das klassische Ballett und der zeitgenössische Tanz war für sie nur ein wohl nicht ernst zu nehmendes Übel der Nachkriegszeit. Und doch waren sie clever genug, den Zug der Zeit zu erkennen, beispielsweise Pina Bausch nach einiger Zeit ernst zu nehmen, und auch Cranko zuzubilligen, sich an experimentellen Stücken zu versuchen.

Wenn man Geitel näher kennenlernte, erwies er sich als ein nobler und großzügiger Mensch, der durch sein Elternhaus gewöhnt war, die Mark nicht herumdrehen zu müssen. Ballett war nicht seine Hauptsache, sondern Musik und Oper waren sein eigentliches Interesse. So kam es auch, dass er, als ich „Otello und Desdemona“ in Aachen uraufführte, dorthin kam, um die Musik von Gerald Hummel zu rezensieren und mir ist natürlich ewig in Erinnerung, was er danach in „Der Welt“ schrieb: „Was bei José Limon eine halbe Stunde dauert, braucht bei Pick über zwei Stunden.“ Ich konnte ihm deshalb nicht böse sein, genauso wie bei Eva-Elisabeth Fischer, als sie bei meiner Choreografie im Programm mit „Moor´s Pavane“ vom Offenbarungseid eines Choreografen sprach. Das müssen wir aushalten können und die Rezensenten kriegen ebenfalls oft Gegenwind, um es vorsichtig auszudrücken, wenn sie hören, was Leser von ihnen halten.

Klaus Geitels Wissen war umfassend und er blieb bis ins hohe Alter wissensdurstig und stieg noch mit Achtzig um auf einen Computer. Er hat sich dann aber aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. Solange es ging, hat er sich in seine Ferienwohnung auf Ibiza begeben. Erst in den allerletzten Jahren musste sein Adoptivsohn Rodney sich hauptamtlich um ihn kümmern, was sicherlich nicht immer einfach für ihn war, denn auch Klaus Geitel war nur ein Mensch, der aber dummerweise Manches besser wusste. Rodney hat seine Rolle früh akzeptiert, ohne dabei aufzubrausen, er ließ es geschehen und zog sich zurück, bis die Sonne wieder herauskam. Ihm, wie der Theaterwelt, wird dieser Mann fehlen, denn nicht nur Musik zählte für diesen großen Zeitzeugen, sondern auch das gesprochene und das geschriebene Wort waren ihm wichtig. Und es war eine große Gnade, dass wir mit dem Deutschen Tanzfilminstitut noch den Film machen konnten, der nun im Gedenken an ihn erscheinen wird.

Kommentare

Noch keine Beiträge