Unerbittliche Blicke
Ein Fotoblog von Dieter Hartwig zu Clébio Oliveiras „After The Sun“
Die YET Company zeigt mit „ensemble“ den zweiten Teil ihrer Tanztrilogie in den Uferstudios Berlin
Die Produktion „Vivant!“ strapazierte Vorstellungen von Lebendigkeit(en). In einer letzten Szene schlossen sich die fünf PerformerInnen unter einer festen Hülle aus Stoff gar zu einer gemeinsam atmenden Kugel zusammen und das Licht erlosch. Das war 2014 und begründete den ersten Teil einer Tanztrilogie, die im Miteinander von Akustik und Körper bewegte Bilder installiert und zugleich wieder demontiert. Mit „ensemble“ erfasst die schweizerisch-deutsche YET Company um das Choreografen-Duo Dominika Willinek und Fabian Cohn nun Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des „Zusammen-Seins“. Dabei verbleiben die choreografisch und akustisch etablierten Bilder jedoch in jenem Nebeneinander des durch den Bindestrich getrennten ‚Zusammen-Seins’. Das ‚Sein’ der fünf PerformerInnen will nie so wirklich zu einem ‚Zusammensein’ verschmelzen. Es bleiben fünf Entitäten auf der Bühne, im Grunde sogar sechs, denn auch der Percussionist Wieland Möller reiht sich auf der Ebene des Akustischen in das gemeinsame Nebeneinander.
Zugleich schaffen die wenigen Momente des Miteinanderseins wunderschöne Augenblicke, die verweilen sollten, die sogartig die eigene Aufmerksamkeit in die Tiefe der Zeit hineinziehen. Etwa wenn Flurin Kappenberger und Johannes Stubenvoll in ihren Bewegungen mit den Schwingungen des Klangs verschmelzen und sich schließlich gemeinsam, mit Figuren des stetig wechselnden, langsamen Hebens und umeinander Drehens kreisförmig durch den Bühnenraum bewegen. Oder das plötzliche Blackout nach der ersten Hälfte des Stücks, dessen Stille und Dunkel alsbald durch vereinzeltes, kräftiges Aufstampfen gebrochen wird und im Finden eines gemeinsamen Rhythmus einen Moment des Miteinanders oder besser des Zueinanders ermöglicht. Über lange Zeit verbleibt jedoch der Eindruck des vereinzelten Zusammen-Seins.
Die choreografischen Strategien sind klar und unaufgeregt gesetzt: etwa in der klaren Frontausrichtung des Körpers bei kreisförmigen Bewegungen oder im immer gleichen Körperabstand, während die Raumwege Ellipsen zeichnen. Auch das Finden einer gemeinsamen Bewegungsqualität ist von Szene zu Szene präzise artikuliert: einmal ausgehend von den Gelenken und Wirbeln des Körpers, dann wieder ist der Kopf führend oder ein äußerer Impuls, der die Körper ruckartig und kräftig vom Boden springen lässt. Daneben bildet der Klang des Schlagzeugs, Xylophons oder auch Sound Boards mit seinen digital veränderten Klangeffekten eine zweite Ebene, die oft die führende zu sein scheint - in ihrer Qualität, Dynamik oder dem plötzlichen Stillstand. Womöglich zeichnet „ensemble“ das Portrait einer Zeit, dieser Zeit, in der das Gemeinsamsein im Nebeneinander besteht. Doch wie lässt sich gemeinschaftliche Subjektivität denken?
Die Stärke von Willinek und Cohn liegt in ihren dramaturgischen Setzungen. Ihre neueste Produktion „ensemble“ zeichnet sich durch eine präzise Komposition von Licht, Klang und Choreografie, eine Vielfalt an Bewegungsqualitäten und ein klar strukturierendes Narrativ aus. Der souveräne und überzeugende Einsatz der theatralen Mittel zeugt auch von einer intensiven Kollaboration zwischen ChoreografInnen, TänzerInnen, Musiker sowie Lichtbildner und Bühnenbildnerin.
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