Susanne Linke und Koffi Kôkô in „Mistral“

Susanne Linke und Koffi Kôkô in „Mistral“

Ein poetisches Tanzduett

Pick bloggt: Susanne Linke und Koffi Kôkô in „Mistral“ in Trier

Es muss nicht alles laut, mit schreienden Farben und voller Probleme sein, die haben wir im TV zur Genüge - die Ovationen für Linke und Kôkô beweisen dies.

Trier, 15/09/2015

Wenn es tatsächlich stimmt, dass Johannes Odenthal den dramaturgischen Hintergrund für das Stück „Mistral“ geliefert hat, ist es ihm – ich nenne ihn jetzt einfach mal Dramaturg, in dem Bewusstsein, dass er alles Mögliche außer Dramaturg sein kann – tatsächlich gelungen, sich in die Seele von Tänzern zu versetzen. Dieses Tanz(!)stück ist wie er es in dem Programmblättchen selbst nennt, ausnahmsweise keine Performance. Die beiden Ausnahmeerscheinungen Koffi und Susa zelebrieren hier puren Tanz in einer wunderbar poetischen Weise – auch mal am Rand des Kitsches, der lediglich durch ihre Persönlichkeiten vermieden wird. Ich habe Susa noch in keinem Stück so gelassen ihre gezirkelte Choreografie über die nicht vorhandene Rampe der Bühne des Theaters Trier schwappen lassen sehen.

Als ich von diesem Projekt hörte, dachte ich: „Aha, da hat sie sich einen Ismael Ivo gekrallt“! Aber dieser Mann ist das absolute Gegenteil. Er ist so introvertiert in seiner Performance, dass ich immer wieder dachte, er sei ein afrikanischer Ōno Kazuo, obwohl ich zuerst dachte, er sei aus Lateinamerika, aber das ist ja letztendlich auch nur eine Generationenfrage, oder? Offensichtlich ist dieser Mann ein empfindsames Wesen, auch wenn dieser Charakterkopf eine selten gesehene kontrollierte Willensstärke ausstrahlt. Diese beiden Tanzmenschen, die sich so unterschiedlich wie ihre Hautfarbe geben, sind sich, glaube ich, sehr ähnlich. Beide scheinen die Vorstellung nicht für die 120 Zuschauer zu geben, sondern sind so mit sich beschäftigt, dass sie erst gegen Ende der Inszenierung den Partner äußerlich wahrnehmen. Das heißt nicht, dass sie für sich selbst agieren und um sich selbst kreisen, vielmehr wirken sie wie ein eingespieltes Paar, in dem jeder den anderen wahrnimmt, versteht, ohne nach ihm Ausschau halten zu müssen.

Ich werde jetzt nicht nacherzählen, wie das Stück – das hochromantisch anfängt, dann aber durch einen akustischen Gewittersturm abgebrochen wird und eine andere Entwicklung nimmt – die nicht oberflächliche Erotik nur unterschwellig anbietet, obwohl sie immer durch die Spannung zwischen den beiden Tänzern präsent ist. Und ihre Haltung hat immer wieder Flamenco-Feeling, die wie diese Tanzform echt und nicht für den Zuschauer gedacht sein muss – obwohl sie sich durch die Virtuosen in diese Richtung entwickelt hat. Flamenco entwickelt seinen Reiz in der Nicht-Berührung, im Ausweichen und erneuten Annähern zum anderen Geschlecht. Natürlich tanzen die beiden nicht Flamenco, aber das Ritual ist ihnen so eins zu eins gelungen, dass es eine Freude ist und damit komme ich wieder zu J. Odenthal: Wenn er ihnen diesen Link mitgeben konnte, der beiden natürlich ein Bedürfnis sein musste, gelang diesem Trio hierdurch ein Meisterstück.

Das ist doch ein gutes Omen für diesen Neuanfang im Trierer Theater mit einem neuen, sehr jungen Intendanten Dr. Karl M. Sibelius, der sich nicht scheut, das Foyer zur Eröffnung der Spielzeit mit einer Grasnarbe auszulegen. Ich wünsche ihm und seinen Tanzmitarbeitern mehr Erfolge wie diesen stillen Abend auf der Hauptbühne des Theaters, und dass sie sich erinnern mögen – die Zuschauer inklusive: Es muss nicht alles laut, mit schreienden Farben und voller Probleme sein, die haben wir im TV zur Genüge. Das Kontrastprogramm sieht anders aus. Der Rasen im Foyer und die Ovationen für Susa und Koffi bestätigen mir dies!

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