„Schattenspiele“ von Itzik Galili

„Schattenspiele“ von Itzik Galili 

Tanz und Licht bilden Partner

Der neue Abend „Schattenspiele“ am Ballett Augsburg portraitiert Itzik Galili

Wann wird hier Bewegung narrativ? Dieser plötzlich aufkommenden Frage nachzugehen, lohnt sich beim Betrachten von „Or“, dem ersten von insgesamt fünf Choreografien des Israeli Itzik Galili, die das Ballett Augsburg seit rund vier Wochen präsentiert.

Augsburg, 18/03/2014

Ein Mann in einem Streifen warmen Lichts. Langsam entwickelt er die Bewegung. Von der Fußspitze her, die er nach außen dreht und im Halbkreis über den Boden führt. Der Rest ergibt sich. Ein Passé. Eine Beuge. Ein Arm, lang aus dem Schulterblatt herausgestreckt. Mittleres Tempo. Eingebettet in eine klingende, sich endlos wiederholende Percussionkomposition. Die Bewegungen: Keine Raffinesse, dafür aber Klarheit, Einfachheit, Stringenz, Verbundenheit. Körperlich viel Athletik. Athletischer Tanz und Licht bilden hier Partner. Stärke, Selbstbewusstsein, manchmal fast Aggression kennzeichnen den Bewegungstestus.

Wann wird hier Bewegung narrativ? Dieser plötzlich aufkommenden Frage nachzugehen, lohnt sich beim Betrachten von „Or“, dem ersten von insgesamt fünf Choreografien des Israeli Itzik Galili, die das Ballett Augsburg seit rund vier Wochen präsentiert. Der einzelne in der Gruppe und die Choreografie des Lichts bilden sich beim Beobachten der gleichmäßigen Bewegungsfolgen schnell als die wesentlichen Parameter heraus.

„Or“ besitzt, so scheint es, keinen einzigen Moment des Stillstandes oder der Ruhe. Die Besetzung tanzt ab dem Anfangsmoment durchgehend, formt eine Linie im Licht, eine Gruppe schemenhaft im Dämmerlicht, Paare, die mit gestochen scharfen Attitüden und hohen Arabesquen miteinander kommunizieren. Ganz lange hat man den Eindruck, einem Ritual beizuwohnen, einer Art schamanischem, nach außen hin verschlossenem, kaum innere Bilder evozierendem Tanz auf der Bühne des Balletts, in dessen Mittelpunkt ein Lichtwürfel wie ein Feuer glüht. Als nach und nach Lichtpunkte in der Höhe der Rückwand erscheinen, scheint das Bühnengeschehen näher heranzurücken. Gesichter werden sichtbar, Worte stellen sich innerlich für den Ort dar: eine Halle, ein Parkett, eine Präsentationsfläche; die Paartänze gewinnen emotionalen Inhalt, werden abgetrennt von anderen Paartänzen lesbar, das Thema der Geschlechtlichkeit taucht auf, das Gefühl von konkreter Nähe. Bis alles wieder im Zwielicht verschwindet und an einem zeitlosen Punkt zusammenschnurrt.

Keine Frage – Itzik Galili, der Autodidakt unter den Choreografen, der seit Jahrzehnten auf unverwechselbare Weise von Willen und Talent getrieben scheint, ist der Priester unter den zeitgenössischen Ballettchoreografen. Und er bleibt es, auch wenn er sich, wie im zweiten Werk „Siboney of my dreams“ genüsslich auf der amüsanten Oberfläche des Lebens, dort, wo es um Attraktivität und Anerkennung geht, herumtreibt und dem Publikum dabei gerne einen Spiegel vorhält. Vier kubanische Lieder bilden die Grundlage dieses lustig-süffisant-absurden, auch hier ein wenig zu lange geratenen Gruppenstücks, in dem Riccardo de Nigris eine Paraderolle als armes, von den Frauen geschmähtes Hascherl abgibt. Am Schönsten die Anfangsszene, in der er dem Scheinwerferlicht hinterherläuft und die ewige Sehnsucht des Menschen nach Gesehenwerdenwollen parodiert.

Eine lebensnahe Botschaft findet sich auch in „The Sofa“: Du bist beim anderen wie dein Partner dir gegenüber war, den du vorher hattest, und da ist es egal, ob es sich um Mann oder Frau handelt. Galili zieht den Nahkampf zwischen dem Begehrten und Begehrenden direkt, fast hart und in allen Bewegungssequenzen nahezu identisch durch – auf den ersten Blick vorhersehbar, im Detail dann aber nicht unüberzeugend. Als Brücke zu „The Sofa“ platzierte Ballettdirektor Robert Conn Galilis den über zehn Jahre alten Duettklassiker „Mono Lisa“. Schade nur, dass Jiwon Kim und Jacob Bush ihren Tanz hier und da ein wenig verstolperten und dem Stück auf diese Weise noch nicht jene flirrende Brillanz verleihen konnten, mit der die Ursprungsbesetzung Alicia Amatriain und Jason Reilly, das auch den Mann auf die Schippe nehmende Duett berühmt gemacht haben.

Das choreografische Portrait Galilis rundet schließlich „Ke Lo Aya“ ab – eine Tanzkomposition auf Lichtfelder verteilt, in der die Choeografie des Lichts das eigentliche theatrale Ereignis bilden. Auch hier wird die Bewegung durch ihr Verschwinden im Dunkeln zeitlich gedehnt oder erhält in grelle Lichtflecken platziert eine erhöhte, spannungsvolle Intensität des Augenblicks. Ein lohnender Abend, der erneut die hohe Kompetenz dieses Augsburger Ballettensembles herausstreicht: schlicht in der Lage zu sein, eine choreografische Position wie die von Galili in ihrem ganzen Spektrum auszuleuchten. Bitte mehr davon.
 

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