„Julia und Romeo“ von Mats Ek: Mariko Kida und Anthony Lumuljo als Julia & Romeo

„Julia und Romeo“ von Mats Ek: Mariko Kida und Anthony Lumuljo als Julia & Romeo

Prominente Vertreter der Tanzszene nennen auffällige Trends, Ereignisse, Tänzer und Choreografien der letzten Spielzeit

Spielzeit 2012/13: Die Umfrage!

Wie würden Sie Tanz beschreiben? Ein auffälliger Trend der Spielzeit 2012/13? Wie sehen Sie die Zukunft des Tanzes? Choreograf/In, Tänzer/In der vergangenen Spielzeit? Was wollen Sie nie wieder auf einer Tanzbühne sehen?

München, 29/07/2013

Was erachtete die Tanzszene im deutschsprachigen Raum selbst - jenseits aller Kritiker - eigentlich als wichtig in der vergangenen Saison? Kurz angefragt hat die tanznetz.de-Redaktion bei prominenten Vertretern der Tanzlandschaft. Hier die Antworten von zehn Tanzmenschen ganz unterschiedlicher Art, die Lust hatten dabei zu sein.

DIETER BUROCH
Veranstalter, Kurator und Berater für Tanz

Wie würden Sie Tanz beschreiben?
a) Eine gekonnte Körpersprache, mit Sinn und Verstand.
b) Jemand bewegt sich – und die Kritikerin sagt warum.

Ein auffälliger Trend der Spielzeit 2012/2013?
a) Wenn der Ton kommt, ist das Licht meistens schon da.
b) Ohne Diskurs fangen wir gar nicht erst an.

Wie sehen Sie die Zukunft des Tanzes?
Aus finanziellen Gründen wird versucht, auch noch bei Soloprogrammen die Zahl der Darsteller zu reduzieren.

Choreograf/In der Spielzeit 2012/2013:
Sharon Eal (Israel)

Tänzer/In der Spielzeit 2012/2013:
Sandra Marin Garcia (Kidd Pivot Frankfurt RM)

Ereignis der Spielzeit 2012/2013:
LEYMOUN, die dritte arabische Tanzplattform in Beirut. Mutig, selbstbewusst, kompromisslos und fast komplett ohne öffentliche Förderung produziert.

Was Sie nie wieder auf einer Tanzbühne sehen wollen:
Eröffnungsredner

 

ERIC GAUTHIER
Choreograf und künstlerischer Leiter von Gauthier Dance

Wie würden Sie Tanz beschreiben?
In drei Wörtern: Bewegung, Gefühle, Freiheit

Ein auffälliger Trend der Spielzeit 2012/2013?
Ganz klar kulturelle Bildung! Ein ganz wunderbarer Trend, denn von den gemeinsamen Projekten profitieren wirklich alle - die Profis UND die Kinder und Jugendlichen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Tanzes?
Die schaut gut aus! Immer mehr Menschen kommen mit Tanz in Berührung, eben durch Projekte der kulturellen Bildung oder die zunehmende Zahl von Tanzfestivals. Ja, selbst so was wie dieser unglaubliche erfolgreiche Gangnam-Style-Videoclip helfen, Tanz populär zu machen.

Choreograf/In der Spielzeit 2012/2013:
Das ist eine richtig schwierige Frage. Denn ich schätze die Arbeit so vieler Choreografen. Wenn ich Namen nennen muss, dann keinesfalls nur einen, sondern mindestens vier: Sidi Larbi Cherkaoui, Paul Lightfoot, Cayetano Soto und Jiří Bubeníček.

Tänzer/In der Spielzeit 2012/2013:
Anna Süheyla Harms. Sie ist ein echtes Phänomen. Sie hat so viel Herz, Willensstärke und Power. Und wenn ich es recht bedenke: auch alle anderen Tänzerinnen und Tänzer von Gauthier Dance!

Ereignis der Spielzeit 2012/2013:
Die vielen Veranstaltungen zum 100. Geburtstag von Sacre du Printemps. Ein solcher Meilenstein der Tanzgeschichte. Vielleicht gelingt es mir ja, eines Tages meine eigene Version zu choreografieren.

Was Sie nie wieder auf einer Tanzbühne sehen wollen:
Da muss ich passen. Ganz ehrlich: Ich habe dieses Jahr nichts auf der Bühne gesehen, was ich nicht mochte.

 

NANINE LINNING
Künstlerische Leiterin und Choreografin von Dance Company Nanine Linning/Theater Heidelberg

Wie würden Sie Tanz beschreiben?
Tanz ist Energie gepaart mit Ideen, eingefangen in einer Kooperation von Zuschauern und Tänzern, die jeden Abend neu entdeckt und definiert wird.

Ein auffälliger Trend der Spielzeit 2012/2013?
Partizipative Projekte von Profi- und Laientänzern.

Wie sehen Sie die Zukunft des Tanzes?
Sehr glanzvoll mit einem wachsenden Publikum und aktiv beteiligten Amateuren.

Choreograf/In der Spielzeit 2012/2013:
Crystal Pite – „The Tempest Replica“ endlich zu sehen, hat mich mitgerissen.

Tänzer/In der Spielzeit 2012/2013:
Sandra Marín Garcia

Ereignis der Spielzeit 2012/2013:
Die Vorstellung von Pina Bauschs „Sacre du Printemps“ in Paris am 5. Juni.

Was Sie nie wieder auf einer Tanzbühne sehen wollen:
Grundsätzlich ist alles abhängig von der jeweiligen Interpretation und Ausführung, ich möchte offen bleiben und neugierig auf alles sein.

 

YUKI MORI
Künstlerischer Leiter und Chefchoreograf Theater Regensburg

Wie würden Sie Tanz beschreiben?
Für mich ist der Tanz eine notwendige und unverzichtbare Möglichkeit, leidenschaftlich zu kommunizieren.

Ein auffälliger Trend der Spielzeit 2012/ 2013?
Große Jubiläen der Kulturgeschichte werden mehr und mehr auf der Bühne durch Tanz verkörpert.

Wie sehen Sie die Zukunft des Tanzes?
Zum einen hoffe ich auf eine ständige Weiterentwicklung des Tanzes als Kunstform.
Zum anderen wünsche ich mir auch eine wachsende Neugier auf Tanz und die Anerkennung der künstlerischen Leistungen in diesem Bereich. Beides ist nur möglich, wenn der Tanz genug Unterstützung in finanzieller Hinsicht und angemessene kreative Freiräume für neue künstlerische Visionen erhält.

Choreograf/In der Spielzeit 2012/2013:
keine Antwort

Tänzer/In der Spielzeit 2012/2013:
keine Antwort

Ereignis der Spielzeit 2012/2013:
keine Antwort

Was Sie nie wieder auf einer Tanzbühne sehen wollen: -
keine Antwort

 

HENNING PAAR
Künstlerischer Leiter Tanz und Chefchoreograf am Theater Münster

Wie würden Sie Tanz beschreiben?
Tanz ist eine der vielfältigsten Kunstformen , alles ist erlaubt, wenn der Choreograf seinem Ziel, seiner Vision näher kommt...

Ein auffälliger Trend der Spielzeit 2012/2013?
Immer wieder wird über Kürzungen bei und Schließungen von Tanzkompanien diskutiert, wir haben in Deutschland bereits 50 % der Tanzschaffenden seit 1990 verloren, keine andere Kunstform hat trotz ihrer großen Resonanz beim Publikum und relativ geringen Kosten in der Produktion so große Einsparungen hinnehmen müssen.
Leider beleidigen frustriete Besserwisserinnen à la Eva-Elisabeth Fischer und Wiebke Huester nach wie vor Choreografen deutschlandweit und erklären mit ihren Nichtkritiken das Publikum für blöd.

Wie sehen Sie die Zukunft des Tanzes?
Ich sehe die Zukunft des Tanzes trotz seiner kreativen Köpfe in Deutschland durch die vorgehend benannte Entwicklung sehr gefährdet.

Choreograf der Spielzeit 2012/2013:
Mats Ek mit seiner Produktion „Julia & Romeo" in Stockholm

Tänzer/In der Spielzeit 2012/2013:
Jérôme Marchant , der Mercutio in der oben genannten Produktion „Julia & Romeo" in Stockholm

Produktion der Spielzeit 2012/2013:
„Julia & Romeo" in Stockholm

Was Sie nie wieder auf einer Tanzbühne sehen wollen:
Tänzer die als Statisten auf der Bühne missbraucht werden...

 

GÜNTER PICK
Günter Pick übernahm in der letzten Spielzeit den Vorstand im Förderverein Tanz in Essen, der den Deutschen Tanzpreis und Tanzpreis Zukunft ausrichtet.

Wie würden Sie Tanz beschreiben?
Der Tanz in all seinen Facetten behauptet sich in der deutschen Theaterszene als verlässliche Säule mit zunehmenden Besucherzahlen, einer schon erstaunlichen Premierenflut und ebenfalls steigenden Zuschauerzahlen. Dies wurde großartig dokumentiert durch den Tanzkongress in Düsseldorf u.a. mit einer von Martin Puttke organisierten Vorstellung im Auftrag der Ballettdirektoren-Konferenz. Hier wurde eindrücklich gezeigt, welche Kraft und Kreativität die oft gescholtene "Provinz" hervorbringt, die, wenn sie sich so zeigt, durch hervorragende Tänzer vergessen lässt, dass die kleinen Häuser unserer Republik mit ihren Kompanien mit den großen Zentren mithalten können. Weiter so Hortensia Völckers und BKM!

Ein auffälliger Trend der Spielzeit 2012/2013?
Nicht erst seit dieser Spielzeit fällt mir auf, dass die Tanztechnik durch z.B. Anspringen, Fallenlassen etc. der jeweiligen Partner eine aggressive Seite verstärkt. Meiner Meinung nach dokumentieren artistische Sequenzen eine Beziehungslosigkeit, die mich auf die Dauer nicht fesselt. Akrobatik im Tanz als Selbstzweck oder – um es hart zu formulieren - als Ersatz für choreografische Ideen hat mir zunehmend wenig oder nichts zu sagen. Das ist zu vergleichen mit den ewigen Fouettés oder Grands Pirouettes in den klassischen Divertimenti.

Wie sehen Sie die Zukunft des Tanzes?
Ich war besorgt um die Zukunft des Staatsballetts Berlin, als ich hörte, dass Nacho Duato die Direktion übernimmt. Anlässlich eines Gastspiels des ehemaligen Maly-Balletts aus St. Petersburg bei der Münchener Ballettwoche mit einer Version von Duatos „Dornröschen“ freue ich mich darüber, dass er vor Petipa Respekt hat. Das Repertoire bei einer so wichtigen Kompanie wie dem Staatsballett Berlin wird also wohl seinen ihm zukommenden Stellenwert behalten, ohne deshalb verstaubt zu sein.

Choreograf/In der Spielzeit 2012/2013:
Zur Abwechslung ein Wechsel zur freien Szene, was zu wenige Kritiker sehen, weil sie einfach in ihrem Medium zu wenig Platz bekommen, nicht in den großen Zentren, sondern in Bonn, das sein Ballett eingestampft hat: Bärbel Stenzenberger.

Tänzer/In der Spielzeit 2012/2013:
Freischaffende Szene: Olaf Reinecke, Co. bo complex Bonn
Stadttheater: Michael Jeske, Christof Paul (Ballett Koblenz)

Produktion der Spielzeit 2012/2013:
Gastspiel bei Bayer Kultur Leverkusen: „Novo Orbo“ mit dem Cedar Lake Ballett, choreografiert von Sidi Larbi Cherkaoui

Was Sie nie wieder auf einer Tanzbühne sehen wollen:
Das Drama um Köln! Wenn nun auch noch die Sparte Tanz an der Musikhochschule geschlossen werden soll, ist die einstige Tanzmetropole endgültig in der untersten Schublade der Provinzialität angekommen.

 

SIMONE SCHULTE
Kulturbüro Simone Schulte und Tanz und Schule

Wie würden Sie Tanz beschreiben?
Für mich immer noch die spannenste darstellende Kunstform!

Ein auffälliger Trend der Spielzeit 2012/2013?
Rückbesinnung auf das kulturelle Erbe

Wie sehen Sie die Zukunft des Tanzes?
Der zeitgenössische Tanz kann sich zunehmend über mehr Zuschauer freuen. Im Kontext von Performance, Sprechtheater und Oper verschwimmen die Genregrenzen und der Tanz profitiert davon. Der Tanz ist dabei, sich als Teil der kulturellen und künstlerischen Bildung zu etablieren. Hierin liegen große Chancen für den Tanz, bereits in Kindheit und Jugend als Kunstform wahrgenommen zu werden und an künstlerischen Prozessen zu partizipieren. In den nächsten Jahren wird es darum gehen, für den Tanz weitere Strukturen zu schaffen, und in Ausbildung, künstlerische Forschung, in Produktionen und Vermittlung zu investieren.

Choreograf/In der Spielzeit 2012/2013:
Richard Siegal

Tänzer/In der Spielzeit 2012/2013:
keine Nennung

Produktion der Spielzeit 2012/2013:
Der Tanzkongress in Düsseldorf und für mich persönlich das Festival THINK BIG! Tanz und Performance für junges Publikum in München

Was Sie nie wieder auf einer Tanzbühne sehen wollen:
Ich habe als Zuschauerin ein gutes Tanzjahr erlebt!

 

BETTINA WAGNER-BERGELT
Tanzmanagerin und Kuratorin. Stellvertreterin des Direktors des Bayerischen Staatsballetts

Wie würden Sie Tanz beschreiben?
Er kann die radikalste Kunstform sein, die mir am wichtigsten ist, immer dann, wenn Künstler über den eigenen Tellerrand hinausblicken, und das ist Choreografen selbstverständlicher als den anderen klassischen Genres. Er verlangt dem Körper alle Fähigkeiten ab, intellektuelle, physische, emotionale… Die guten zeitgenössischen Choreografen sind wie Seismographen, sie reagieren unmittelbar auf anstehende gesellschaftliche Veränderungen, auf ganz feine Schwingungen, und verarbeiten sie sehr subtil in ihren Stücken. Tanz ist vielleicht die zeitgenössischste (? kann man das steigern?) Kunstform, neben der bildenden Kunst.

Ein auffälliger Trend der Spielzeit 2012/2013?
Wieder mehr Tanz, weniger Konzept. Aber beides ist wichtig.

Wie sehen Sie die Zukunft des Tanzes?
Wir müssen politisch viel aktiver und selbstbewusster werden, dazu sind BBTK und Dachverband Tanz Deutschland, Bundesverband Tanz in Schulen, kulturelle Bildung Tanz, Tanzhistoriker und –forscher, Tanzjournalisten und alle, die sich hier engagieren, gefragt. Solange kein/e Ballettdirektor/In ein Dreispartenhaus leitet, bleiben wir die armen, sprachlosen Verwandten und abhängig vom Interesse und der Großzügigkeit der Intendanten der anderen Sparten. Das darf so nicht bleiben. Ich glaube aber, wir haben das begriffen, und sind auf einem guten Weg.

Choreograf/In der Spielzeit 2012/2013:
Richard Siegal

Tänzer/In der Spielzeit 2012/2013:
Die Candoco Dance Company

Ereignis der Spielzeit 2012/2013:
künstlerisch: „I don`t believe in outer space“ von Forsythe, Gastspiel in Hamburg, politisch: der moralische und menschliche Verfall der Parteien und ihrer Vertreter,
emotional: der verzweifelte Hungerstreik der Asylbewerber hier in München am Rindermarkt, in einem der reichsten Länder der Welt, das während des Faschismus selbst so sehr angewiesen war auf Hilfe für seine eigenen Flüchtlinge.

Was Sie nie wieder auf einer Tanzbühne sehen wollen:
Ach, da gibt es vieles. Schauen wir lieber auf das, was wir sehen wollen.

 

GERT WEIGELT
Fotograf für Tanz bei Tanz in Büchern, tanznetz.de, Tanz uvm.

Wie würden Sie Tanz beschreiben?
Habe neulich einen herrlichen Satz aufgeschnappt: „Tango ist der vertikale Ausdruck eines horizontalen Verlangens.“ Könnte man den nicht auf den Tanz schlechthin anwenden ? oder wenigstens modifiziert: „Tanz ist der virile, physische Ausdruck eines menschlichen Grundbedürfnisses.“

Ein auffälliger Trend der Spielzeit 2012/2013?
Vielleicht die Hinwendung zu schmalbrüstigen Ein-Stunden- Abenden ohne Pause?

Wie sehen Sie die Zukunft des Tanzes?
Bin leider kein Hellseher. Fest steht, dass der Tanz (die Künste) auch ohne Kulturpolitiker überleben wird (werden).

Choreograf/In der Spielzeit 2012/2013:
Martin Schläpfer

Tänzer/In der Spielzeit 2012/2013:
Yuko Kato und Marlùcia do Amaral gleichermaßen (beide Ballett am Rhein)

Ereignis der Spielzeit 2012/2013:
Mats Eks abendfüllende Version von „Julia & Romeo“ beim Königlich Schwedischen Ballett, Stockholm

Was Sie nie wieder auf einer Tanzbühne sehen wollen:
Angelin Preljocajs „Les Nuits“

 

GEORG WEINAND
Leiter der Dampfzentrale Bern

Wie würden Sie Tanz beschreiben?
Bewegtes Leben in verändertem Rhythmus.

Ein auffälliger Trend der Spielzeit 2012/2013?
Zurück in den Körper: Mehr Sinnlichkeit und Ästhetik

Wie sehen Sie die Zukunft des Tanzes?
Sprünge und Stürze

Choreograf/In der Spielzeit 2012/2013:
Alessandro Sciarroni

Tänzer/In der Spielzeit 2012/2013:
Simon Tanguy

Ereignis des Jahres:
„Enfant“ von Boris Charmatz in der Dampfzentrale Bern

Was Sie nie wieder auf einer Tanzbühne sehen wollen:
Statik

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