Eine Ballettlegende wird neunzig

Fritz Höver zu seinem Jubiläumsgeburtstag

oe
Stuttgart, 27/11/2011

Nein, die Überschrift stimmt nicht! Denn zu einer Legende wurde er erst – oder sagen wir es so: die Legendenbildung begann erst 1958, und da war er ganze 47 Jahre alt. Ich würde ihm ja gern „knackige“ siebenundvierzig attestieren, aber davon konnte schon damals nicht die Rede sein, wie er da auf seinem einen verbliebenen Bein durchs Leben humpelte. Und von Legende nicht die Spur! Denn das war damals lediglich die Stunde seiner zweiten Geburt – als er nämlich in Stuttgart die Noverre-Gesellschaft Freunde des Balletts gründete. Und die mauserte sich erst peu à peu in den kommenden Jahrzehnten zur heutigen „Legende“. Also zurück ins Jahr 1921. Seither hat er so viele Jubiläen und Auszeichnungen gefeiert und ist dabei in allen seinen Lebensstadien gewürdigt worden, dass ich mir deren Aufzählung hier ersparen kann. Zumal man sie inzwischen in den einschlägigen Lexika und in seinen eigenen „Biografischen Notizen“ nachlesen kann, die er 2000 anlässlich der Verleihung des Deutschen Tanzpreises veröffentlicht hat.

Die beginnt er mit seinem Geburtsort: Euskirchen, und der liegt im Kölner Vorland, gleich um die Ecke von Hürth-Hermülheim, und das war wiederum 1975 dann der Geburtsort von Michael und Ralf Schumacher, an die freilich damals noch nicht zu denken war. Da hat sich mir über die Jahre die Assoziation „Formel 1“ eingeprägt. Denn als Ballett-Ermöglicher oder -Geburtshelfer ist Höver zweifellos ein Weltmeister der Formel 1 Klasse. War er und ist er – ich wüste jedenfalls keinen anderen zu nennen, der es mit ihm in puncto Dienstjahre aufnehmen könnte. Und es waren wahrlich DIENST-Jahre – Jahre im Dienste am Ballett und zu Ehren der Muse Terpsichore: Höver musagete quasi. Gäbe es das Stuttgarter Ballett heute ohne Höver? Sicher nicht ohne Cranko – aber den kannte in Stuttgart damals niemand außer Höver. Auch nicht der Stuttgarter Generalintendant, dem Höver, mit dem Ballett-Virus infiziert, in den Ohren lag, den Youngster aus London doch mal als Gast in die Schwaben-Metropole einzuladen. Und der benutzte die Gesellschaft für seine Mission, aus den Stuttgartern ein Volk von lauter Ballettfans zu machen, mit den von Höver organisierten Matineen für Junge Choreografen als vorderstes Welt-Adelsforum für die Elite der Nachkriegsgeneration von Neumeier, Kylián, Forsythe und Scholz bis zu den heutigen Stuttgarter Hauschoreografen Spuck, Goecke und Volpi. Und das sind sie bis heute geblieben, inzwischen über ein halbes Jahrhundert lang. Ein „Formel 1“-Titel, den nicht einmal Michael oder Ralf Schumacher über einen derart langen Zeitraum verteidigen konnten!

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