Ein Name, den man sich merken sollte: Lia Tsolaki

Choreografin der Peter-Stein-Inszenierung von Schostakowitschs „Die Nase“

oe
Zürich, 17/09/2011

Konkurrenz für Beate Vollack, als Choreografin Spezialistin so mancher aufregenden Operninszenierungen bei uns, namentlich von Christof Loy und David Pountney: Lia Tsolaki. Die Lady ist Jahrgang 1978, kommt aus Athen, hat am London Studio Centre Theatertanz studiert und dann mit Trisha Brown in New York zusammengearbeitet. Sie hat sich in Griechenland einen Namen gemacht als Choreografin bedeutender Schauspielproduktionen, inzwischen auch in New York, und ist offenbar die bevorzugte Choreografin von Peter Stein, der mit ihr nicht nur die „Elektra“ von Sophokles erarbeitet hat, sondern auch kürzlich seine „Macbeth-Inszenierung bei den Salzburger Festspielen – und jüngst nun also seine Produktion von Schostakowitschs „Nase“ am Opernhaus Zürich.

Die Aufführung ist eine Sensation: eine theatralische Tour de force des revolutionären sowjetischen „Theater Oktobers“ der zwanziger Jahre (die „Nase“ gelangte 1930 in Leningrad zur Uraufführung – da war Schostakowitsch gerade mal 23 Jahre alt, das war also sechs Jahre vor Stalins Verurteilung seiner Arbeit als „Mehr Chaos als Musik“) – ein zu Kopf steigender theatralischer Wodka-Cocktail, gemixt aus allen Ingredienzen der sowjetischen Avantgarde von Meyerhold, Tairow, Eisenstein und Malewitsch nebst Agitprop und der Montagetechnik der frühen Filme. An sie erinnern nicht zuletzt die großen Massenszenen in den instrumentalen Zwischenspielen, die Tsolaki nach dem Vorbild der Mack Sennett‘schen Stummfilme choreografiert hat, mit aufregenden Verfolgungsjagden à la Keystone Cops und Charlie Chaplin.

So etwas Hinreißendes habe ich in den siebzig Jahren meiner Theaterpraxis noch nie auf unseren Bühnen gesehen. Es ist unglaublich, was sich Peter Stein, der ein bekennender Russland-Fan seit seiner legendären Moskauer Inszenierung von Aeschylos‘ “Orestie“ ist, und Tsolaki da alles haben einfallen lassen – zusammen mit Ferdinand Wögerbauer und Anna Maria Heinreich als Ausstatter, Joachim Barth und Hans-Rudolf Kunze als Beleuchtungsdesigner, den Chordirigenten Ernst Raffelsberger und Lev Vernik, mit Ingo Metzmacher als musikalischem Strategen von napoleonischem Format und Herr über diese schweizerische Force de frappe, bestehend aus dreizehn Solisten, 66 Episodenrollen, 7 Sprechrollen und stummen Rollen als Beter, Begleitpersonen, Polizisten und Eunuchen – und schließlich, nicht zu vergessen, den Figuranti speciali. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die gerade beginnende Spielzeit auf dem Musiktheater Aufregenderes zu bieten hat als diese Zürcher „Nos“!

 

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