Ein Haufen hysterischer Hunde

Die Forsythe Company gastiert mit „Yes we can’t“ in München

München, 28/09/2009

„Yes, we can’t“ ist keineswegs nur ein billiges Wortspiel mit dem Wahlkampfslogan von US-Präsident Barack Obama. Es ist vielmehr ein ziemlich exakter Titel für William Forsythes Stück zur Präsidentschaftswahl 2008: In der Kreation des Frankfurters wimmelt es von Charakteren, die mit Begeisterung und Impertinenz nichts zuwege bringen. Eine enervierende Sache. Darum hörte man beim Gastspiel im Münchner Prinzregententheater auch viel unwilliges Gezappel auf den Sitzen, zuletzt sogar Buhs. Doch auch in der übrigen Tanzwelt wird „Yes we can’t“ wohl nicht als Forsythes beliebtestes Stück in die Geschichte eingehen. Es ist einfach zu unbequem.
Wie sollte man auch Sympathie fassen für diese in Streetware gekleideten Protagonisten, die hysterisch schreiend die Bühne stürmen? Der eine macht auf Wortführer und stammelt mit Mund, Händen und Füßen Binsenweisheiten. Ein rot-blau gekleideter Onkeltyp verletzt sich ständig, zwei Kerle gehen in einem Hillbilly-Tanz auf, ein hingebungsvoll walzerndes Paar behindert sich gegenseitig. Alle 16 Tänzer der Kompanie legen ausschließlich debile Verhaltensweisen an den Tag, so dass der daraus resultierende Zustand bestenfalls als gepflegtes Kuddelmuddel bezeichnet werden kann. Hysterische Kreischphasen unterbrechen das Treiben, dazu ertönt unseliges Brummen und Klirren aus dem Soundmixer. Schreckliches Pack! Hier wird eine Gesellschaft gezeichnet, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hat – dafür aber jede Menge gute Laune.

Nun stellt sich natürlich die Frage, ob damit wirklich die USA gemeint sind. Dafür gibt es Indizien, unter anderem die zahlreichen Anspielungen an die US-Slapstick- und Revue-Kultur. Der erwähnte Hillbilly erinnert an Dick und Doof als Rednecks, und auch die meisten gesprochenen Phrasen klingen wie aus US-Filmen. „Slap me“, „Take my Hand“, „Obi Wan… Kenobi!“ und vor allem „I want to be with you – in Guantanamo“, gequietscht von einem Hiphop-Zwerg mit gebrochenen Beinen, enttarnen vage Bekanntes als ekelhaftes Geschwätz. Das tanzende Paar hingegen, das sich schon manisch wie Ginger Rogers und Fred Astaire an Händen und Füßen fasst, bringt sich selbst zu Fall. Allem liegt obendrein eine Stimmung von latenter Gewalttätigkeit zugrunde. Es herrscht Sprachlosigkeit, mehr als Gestammel bringt vor dem Mikrofon kaum jemand heraus; stattdessen geht man rüde wie in einem Tarantino-Film miteinander um. Alles in allem findet auf der Bühne ein geistiges Neandertal statt, dem unerträglich zuzusehen ist. Und das, obwohl Forsythes Tänzer so präzise und beweglich sind, ja überhaupt wieder einmal das obere Ende tänzerischer Fähigkeiten repräsentieren, dass man dem Himmel danken will, in der Vorstellung zu sitzen.

Der Unwillen, zusehen zu müssen, spricht indes dafür, dass es hier nicht nur Amerika an den Kragen geht. Eine politische Satire würde doch irgendwann Befriedigung in die Seele träufeln! „Yes, we can’t“ provoziert aber nur Abscheu. Ganz besonders ist das der Fall in einer Szene, in der drei Tänzer Furzgeräusche konzertieren, nachdem sie die Buchstaben A, R und T vom Publikum gefordert haben. „Art“ reimt sich auf „fart“, darf der Zuschauer tüfteln. An dieser Stelle wechselt die Szenerie abrupt von Amerika zur globalen Kunstlandschaft. Und in dieser vermag Kunst rein gar nichts mehr, sondern verdaut sich nur noch selbst. „What’s the topic?“ fragt der Wortführer einmal. Es gibt kein Thema mehr. Also raunzt der verletzte Onkel zwei Tänzer an: „Kommt, ich brech’ euch die Beine. Dann könnt ihr einen richtigen Beruf lernen und kommt aus dieser endlosen Tanzschleife raus.“ Kulturpessimismus in Reinform.

Doch welche Kultur auch immer gemeint ist, deutlich ist in „Yes we can’t“ nichts. Nur ein ungutes Gefühl bleibt übrig, dass die Show am Ende der Vorstellung noch lange nicht vorbei ist. Hysterie, Political correctness und Spaßkultur jeglichen Niveaus begleiten uns sicher noch viele Jahre. Diese Erkenntnis macht „Yes we can’t“ so unangenehm.

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern