Bournonville am Strand

Gala des Royal Danish Ballet in Biarritz

Biarritz, 30/07/2009

Mit den Sommerferien kommt nicht nur die Zeit der Festivals (vom World Ballet Festival in Japan zu den „Etés de la danse“ in Paris, wo dieses Jahr Alvin Aileys Kompanie mit drei Programmen und einer Gala schwungvoll ihren 50. Geburtstag feierte), sondern auch die Zeit der Ballettgalas in den Urlaubsorten – Tänzer der Pariser Oper im Club Med, Workshops an der Côte d’Azur sowie zahlreiche Gruppen von Tänzern renommierter Kompanien, die unter der Leitung eines Kollegen ihr Repertoire präsentieren. So stieß man zum Beispiel dieses Jahr im Surferparadies Biarritz, dem Thierry Malandain mit seiner Kompanie seit elf Jahren den Ruf einer kreativen Zelle des zeitgenössischen Tanzes verleiht, in den Strandbars auf Plakate mit Ankündigungen einer Gala von Solisten des Königlich Dänischen Balletts.

Wer an diesem Abend den noch wunderbar sonnenüberfluteten Strand mit der Hoffnung verließ, Bournonvilles Stil an der Quelle zu trinken, wurde zunächst enttäuscht – das Repertoire war überwiegend zeitgenössisch und der erste Bournonville, ein Auszug aus „La Sylphide“, wurde nicht mit höchster technischer Sauberkeit dargeboten. Auch litt der Abend an einigen der üblichen Galakrankheiten: die Musik vor allem von „Apollo“ kam viel zu laut und kreischend aus den Lautsprechern, und ein forsythesker Pas de Deux von Jorma Elo sowie das Ende von „Apollo“ versanken in vollkommener Dunkelheit dank unzureichender Beleuchtung. Dennoch: „Apollo“ – wohl eine Hommage an Nikolaj Hübbe, den neuen Kompaniedirektor und ehemaligen Star-Apollo des New York City Ballet –, konnte sich in der Interpretation von Nehemiah Kish, einem letztjährigen Neuzugang vom National Ballet of Canada, durchaus sehen lassen. Weniger inspiriert absolvierten seine Musen ihre Soli – wohl unter anderem aufgrund mangelnder Probenzeit. Als Eröffnungsstück des Abends überzeugte Malandains „La Mort du Cygne“, in dem drei Ballerinen der Gastgeberkompanie verschiedene zeitgenössische Versionen von Fokines Solo präsentierten. Dieses Ballett, das vor zwei Jahren effektvoll open air im Rahmen des Festivals „Le temps d’aimer“ in Biarritz präsentiert wurde, wirkt auf der großen Bühne in der Gare du Midi und in der konzentrierten Dunkelheit des Theaters etwas verlorener, dafür wird aber die Verbindung zu Fokines Vorbild und die Einsamkeit des dreifachen Schwanes deutlicher. Alle drei Schwäne haben hier ihre individuelle Art zu sterben: sie zittern, räkeln sich, schütteln ihre wie gebrochenen Flügel oder rollen gar über die Bühne, bis am Ende alle drei gleichzeitig, aber ohne einander zu bemerken zu scheinen, ihr Solo erneut beginnen. Erst ganz zum Schluss finden sie zu Synchronität und Harmonie und schreiten gemeinsam von der Bühne.

Nach einem weiteren zeitgenössischen Pas de deux („Triplex“) von Tim Rushton, der vage an Kyliáns „Nuages“ erinnerte, sowie einem langgezogenen, nicht unangenehm dahinplätschernden Pas de quatre für zwei Tänzer (darunter Jean-Lucien Massot, der die Gala organisierte), einen Stuhl und einen Tisch von Petr Zuska („Les Bras de Mer“ zu Musik von Yann Tiersen) kam der Fan der berühmten königlich-dänischen Batterie schließlich doch noch auf seine Kosten, mit einem exzellenten „Blumenfest in Genzano“ und der Tarantella aus „Napoli“. Im Männersolo von „Genzano“ flogen die Beine mit der für Bournonville typischen halsbrecherischen Geschwindigkeit, ohne dass darunter die Akkuratesse litt. Auch der Tänzerin fehlte es weder an Tempo noch an Freude am Tanz, und in der „Napoli“-Tarantella schienen alle Solisten vollkommen in ihrem Element. Ein gelungener Abend und eine begrüßenswerte Initiative, die es dem Balletthungrigen erlaubt, trotz Sommerpause und in angenehmem Rahmen Ballett auf hohem Niveau zu sehen. Doch hätten einige zusätzliche Proben und eine sorgfältigere Wahl des zeitgenössischen Repertoires nicht geschadet – genauso wie detailliertere Programminformationen (das Programm war nirgends angekündigt und die Namen der teilnehmenden Tänzer waren nicht herauszufinden, da es weder Programmheft noch Besetzungszettel gab), um künftig noch mehr Zuschauer von den Surfbrettern in den Zuschauerraum der Gare du Midi zu locken.

Biarritz, Gare du Midi, 23. Juli 2009

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