Tanzrebellen: Die New Dance Group

Amerikanische Tanzgeschichte auf Arte

Berlin, 26/10/2008

So ganz unbekannt ist die New Dance Group nicht; immerhin widmet Friedrichs Ballettlexikon ihr ein paar kurzatmige Zeilen: „Sie war Teil der 1932, als Folge der Wirtschaftskrise in N. Y. ins Leben gerufenen Workers‘ Dance League”, ist da zu lesen, „u. überlebte als einzige der damals zusammengefaßten Gruppen bis heute – als Studio u. als immer wieder neu für gelegentliche Vorstellungen sich organisierende Modern Dance Komp. Ch.en., die mit der Gruppe zusammengearbeitet haben, waren u. a. J. Dudley, S. Maslow, A. Sokolow, D. McKayle, P. Primus, J. Erdman, D. Nagrin u. Ch. Weidman.”

All das ist richtig. Was nicht im Koegler steht, sind die Namen jener jüdischen Tänzerinnen, die sich seinerzeit in der New Dance Group zusammengefunden haben. Namenlos tritt sie jedenfalls an, „um die Welt zu verändern”, wie Rebecca Stein erklärt, ganz offensichtlich eins ihrer Gründungsmitglieder. Und „Van der Lubbe’s Head” heißt ganz folgerichtig eine erste Gruppenarbeit, in der ihre Gesinnung greifbare Gestalt gewinnt. Selbst wenn sich die gemeinsame Arbeit nur in ein paar Fotos dokumentiert, hat sich der kämpferische Impetus darauf erhalten. Ralph Ströhle nennt denn auch in seiner Dokumentation die sechs Schülerinnen Hanya Holms (sprachlich nicht unbedingt korrekt) „Tanzrebellen“, ohne allerdings allzu viel über ihre Biografie herausfinden zu können.

Was von den Schwestern im Geiste eines Kurt Jooss oder Jean Weidt bis in die Gegenwart hinein geblieben ist: das ist eine Schule, die nach wie vor unweit des Broadway eine demokratische Offenheit aller Bewegungsstile praktiziert, das ist ein „politisches“ Repertoire, das sich bis auf den heutigen Tag immer wieder erneuert, das ist nicht zuletzt ein soziales Engagement der New Dance Group, das nichts mit einem populistischen Agitprop im Sinn hat. Nicht zufällig findet sich eine Choreografie wie „Harmonica Breakdown“ von Jane Dudley im National Museum of Dance in Saragota Springs gewürdigt.

Auch in Frankreich hat man inzwischen das kreative Kollektiv wieder entdeckt. Das Centre National de la Danse in Paris rekapitulierte die Geschichte der Truppe unter dem Thema „Danse et Résistance“, lud dazu Experten aus der ganzen Welt ein, wie zum Beispiel die Schweizerin Karin Hermes und den deutschen Tanzwissenschaftler Jens Giersdorf, und ließ ein paar Stücke der wichtigsten Choreografen der New Dance Group noch einmal Revue passieren. Denn selbst wenn die Namen der Gründungsmitglieder längst in Vergessenheit geraten sind, haben Stücke wie „Rainbow Suite“ von Donald McKayle oder Sophie Maslows „Folksay“ Geschichte gemacht. Amerikanische Tanzgeschichte.

Auf Arte am 27. Oktober, 22.30 h, und am 1. November, 6.00 h

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