Mary Wigman – Die Seele des Tanzes

Heute um 23.15 h auf arte

Berlin, 23/06/2008

„Abschied und Dank” nennt Mary Wigman das Solo, mit dem sie am 27. April 1942 in Leipzig ihr Bühnendasein beendet. Es steht am Schluss eines Films, der sich weniger mit der Pädagogin beschäftigt als noch einmal mit der Künstlerin, die auf eine einzigartige, epochale Weise die „Seele des Tanzes” ergründet hat. „Sie hat den Tanz revolutioniert”, meint die Wigman-Biografin Hedwig Müller, und die beiden Filmemacher Christoph Debler und Norbert Buse führen in der knapp einstündigen Dokumentation den Beweis: anhand originaler Filmfragmente, zahlreicher Interviews und jener „Wandlung”, mit der Susanne Linke die Wirkungsgeschichte ihrer Lehrerin verlebendigt.

Mit ihrem legendären Gastspiel in New Yorker Carnegie Hall 1930 setzt der Film ein, und der Ausschnitt aus Wigmans „Pastorale” macht das Aufsehenerregende ihres Auftritts anschaulich. Nicht einem Schema verpflichtet, vertraut sie hier völlig ihrem Ausdruck, sinkt barfüßig zu Boden – und lässt, vom Klang eines Klaviers und einer Geige bewegt, am Ende allein ihre Arme tanzen: ein „Wandlungs”-Prozess, den Susanne Linke in ihrer Wigman-Hommage aufgreift. Mareike Franz tanzt ihre Version von Schuberts „Der Tod und das Mädchens” in dem raumlosen Raum so, wie es Charles Perrier von der Public Library zuvor Mary Wigman attestiert: ganz aus der Seele heraus.

Drei „Wandlungs”-Sequenzen gliedern den Film, der sich nach dem Amerika-Abenteuer Mary Wigmans erst mal auf deren Werdegang konzentriert. Das Elternhaus in Hannover, das Rhythmik-Studium bei Émile Jaques-Dalcroze in Dresden-Hellerau, die Zeit mit Rudolf von Laben auf dem Monte Verità bei Ascona – das sind nur ein paar Stationen, die in der Doku streiflichtartig beleuchtet werden. Schwerpunkthaft kommt der „Hexentanz” zur Sprache, und das historische Filmoriginal ist zu sehen wie die Rekonstruktion von Allison Beth Hankins.

Dass es Christoph Debler und Norbert Buse gelang, Kurt Schwaen noch einmal kurz vor seinem Tode vor die Kamera zu holen, ist ihnen hoch anzurechnen, und der fast hundertjährige Komponist und einstige Pianist Wigmans beeindruckt denn auch durch die plastische Präzision seiner Erinnerung. Murray Louis im Gespräch mit Claudia Gitelmann zu erleben, lohnt sich immer. Ebenso Susanne Linke bei der Probe zu „Schritte verfolgen” oder Sasha Waltz bei der Arbeit an „Dido & Aeneas”. Und was Norbert Servos über Mary Wigman zu sagen hat, ist immer wert gehört zu werden. Schließlich trägt er mit seinen Einschätzungen ein Steinchen zu einem Mosaik Mary Wigman bei, das durch den Film zumindest in einigen Aspekten deutlicher zutage tritt.

Wiederholungen am 26. Juni um 5 Uhr und am 29. Juni um 6 Uhr morgens

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