Kreislauf von Leben und Tod

Im Reinickendorfer Atrium tanzen junge Männer „Krieger“

Berlin, 18/03/2007

Man muss hinter dem stehen, was man will, egal wie andere reagieren, lächelt Emrach selbstbewusst unter seinem schwarzen Schopf hervor. Journalismus wäre der Berufswunsch, derzeit ist der Grieche einer von 14 jungen Männern, die Volker Eisenach zum Tanzen bringt. „Krieger“ nennt der in London ausgebildete und zum Pädagogen graduierte Choreograf das siebte Sonderprojekt seiner Faster-Than-Light-Dance-Company, das wieder beweist: Jungen können tanzen. Neben Kraft und Ausdauer lobt er ihren Mut zu Verletzlichkeit und Feinfühligkeit. Jeder ist willkommen, den die Ausschreibung in Schule, Zeitung, Internet oder durch Mundpropaganda ermuntert. Eignungsprüfungen gibt es nicht, rund drei Monate dauern das kostenlose Grundlagentraining und die Einstudierung als Höhepunkt. Zu Musik von Ravel bis Rammstein und Grönemeyer haben die Jungen bisher getanzt.

Für „Krieger“ hat sich Eisenach mit Vivaldi verbündet. Zu einem Konzert für zwei Violinen fragen er und seine Tänzer, was Männern Krieg bedeutet, was in Friedenszeiten in ihnen hochbrodelt und wie sie nach einem Vorwand für neue Kriege suchen. „Krieg“, „Frieden“ und „Der Tag danach“ lauten die Szenen, bei denen stets alle auf der Bühne des Theaterstudios im Reinickendorfer Atrium sind. Geballte Gruppenbilder rahmen intime Duette und kleinere Formationen und schließen sich am Ende zum Kreis. Der Schwächste gerät in die Rolle des Opfers und bezahlt sein Außenseitertum mit dem Leben. Das Finale gleicht dem Anfang - nur dass einer aus der Gruppe tot am Boden liegt. Angesiedelt ist das Tanztheater in einer überhöhten Gegenwart und zitiert keinen speziellen Krisenherd, könnte aber jeden meinen. Für die Darsteller zwischen 15 und 25 aus Berlin und dem Umland in gesunder Durchmischung der Kulturen eine Herausforderung, kennen sie Krieg doch gottlob nur aus dem Fernsehen. Tödliche Machtspiele allerdings sind noch längst nicht aus der Welt. Depressiv, hofft Eisenach, soll unser Stück die Zuschauer dennoch nicht entlassen.

Ein augenzwinkernd fröhlicher Ausflug ins Nachtleben eröffnet den Abend. Zu Reggaemusik sind die Jungen als Jäger „Auf der Pirsch“ nach dem Fang ihres Lebens und neugierig auf alles, was ihnen ins Netz geht. Mit dem Solo „Goodbye my Lover“ als Mittelteil des Programms artikuliert Onur zu einem gefühlvollen Song von James Blunt die Einsamkeit eines Verlassenen: Der umgestürzte Stuhl der Geliebten wird ersatzweise zum umschmiegten Objekt. Seit knapp zwei Jahren tanzt der 19-jährige Türke, fand bei Eisenach ein zweites Zuhause, absolviert parallel als Stipendiat eine Vorausbildung in der Tanzfabrik. Ob zukünftig Friseur oder Tänzer - alles ist bei ihm noch offen.


16.-18.3., 19 Uhr, Atrium, Senftenberger Ring 97, Reinickendorf,
Kartentelefon 40 221 72

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