Hans Henning Paar

Der neue Leiter des Tanztheaters am Münchner Gärtnerplatztheater

München, 10/09/2007

„Henningchen, mach“, hat Ballettakademie- und Bosl-Stiftungs-Chefin Konstanze Vernon zu ihrem Tanzstudenten Hans Henning Paar gesagt, als der mit jungen 18 choreographieren wollte. Ganz früh hatte er auch schon den geheimen Wunsch, „einmal ans Münchner Gärtnerplatztheater zu kommen“. Und genau dort ist der 41-Jährige jetzt - nach mehreren Tanzdirektionen, zuletzt erfolgreich in Braunschweig. Als neuer Leiter des Tanztheaters eröffnet er am 27. Oktober seine Saison mit der Uraufführung „Les Autres“, einem Tanzabend über Frankreichs kriminellen Vagabunden Jean Genet (1910-1986), der als schreibender Häftling zu literarischem Weltruhm gelangte.

Frage: Herr Paar, warum Genet?

Hans Henning Paar: Ich habe für München ein Thema gesucht, das mich interessiert und das zugleich meinen Arbeitsstil vorstellt. Genets düstere, aber doch sehr poetische Welt hat mich fasziniert. Ich konzentriere mich auf die vier, fünf Haftjahre, in denen seine Romane entstanden, „Querelle de Brest“ und „Notre-Dame-des-Fleurs“. Daraus lasse ich Figuren und Bilder erscheinen, die aber auch Genets eigenes Leben widerspiegeln.

Frage: Sie wollen bewusst eine andere Richtung einschlagen als Ihr Vorgänger Philip Taylor...

Hans Henning Paar: Richtig. Er choreographierte fast ausschließlich abstrakt, ich gehe mehr in ganze Abende, die getanztes Bildertheater sind - immer mit der Betonung auf Tanz - oder eben Abende nach literarischen Vorlagen wie Shakespeares „Romeo und Julia“, das ich neu überarbeitet hier herausbringe.

Frage: Wie sind Sie überhaupt zum Tanz gekommen?

Hans Henning Paar: Mit sechs Jahren habe ich in Kassel meine erste Ballettvorstellung gesehen: „Schneewittchen“ - mit Heinz Bosl als Gast! Man erzählt sich, ich sei vor Begeisterung in der Pause permanent durchs Foyer gesprungen. Eigentlich hatten meine Eltern eher die Hoffnung, ich würde in die Musikrichtung gehen. Meine Mutter hat früher auch gesungen, mein Vater spielte Klavier, und ich bekam mit fünf Jahren Klavierunterricht. Aber ich war ein sehr motorisches Kind, konnte das Stillsitzen nicht gut ertragen. Trotzdem, diese frühe musikalische Schulung kommt mir heute sehr zugute.

Frage: Wer hat sie inspiriert?

Hans Henning Paar: Vor zehn Jahre hätte ich vielleicht gesagt: Mats Ek, weil er einfach ein hochpsychologisierender Choreograph ist. Da gibt es einige..., Trendsetter, wie das auf seine Art und Weise jetzt Marco Goecke ist, wie das Pina Bausch war. Sie kann die düstersten Themen so auf die Bühne bringen, dass der Zuschauer erst mal lachen möchte. Und wenn er eine Minute länger drüber nachdenkt, bleibt ihm das Lachen im Halse stecken. Humor, der heitere wie der bittere, ist bei mir auch ganz wichtig.

Frage: Nicht nur der Intendantenwechsel von Klaus Schultz zu Ulrich Peters hat hier einigen Staub aufgewirbelt, auch der Wechsel des Tanzchefs...

Hans Henning Paar: Ich persönlich habe zu Philip Taylor ein sehr gutes Verhältnis, habe ja auch einige von seinen Tänzern übernommen. Man muss Herrn Peters auch verstehen, wenn er ein anderes Profil für das Tanzensemble möchte. Das einzige, was mich so ein bisschen traurig gemacht hat, waren einige Pressemitteilungen über dieses „Debakel der Auflösung des BallettTheaters München“. Es ist gar nichts aufgelöst worden, ich hätte das Ensemble auch eigentlich unter diesem Namen weitergeführt. Das wollte Philip Taylor nicht. Obwohl das gang und gäbe ist. Das Cullberg Ballett heißt auch nach mehreren Chefs immer noch Cullberg Ballett.

Frage: Neuheiten in Ihrem Programm?

Hans Henning Paar: Wir wollen mehr, also drei Premieren schaffen. Neu, allerdings erst ab der zweiten Spielzeit: Stücke speziell für Kinder und Jugendliche. Am 1. Dezember, zum Welt-Aids-Tag, haben wir zum ersten Mal in München eine Aids-Gala, an der das Staatsballett, die Bosl-Stiftung, aber auch Jessica Iwanson aus der freien Münchner Szene beteiligt sind, wie auch Tänzer von der Wiener Staatsoper, dem Stuttgarter Ballett und dem Staatsballett Berlin.

Frage: Mussten Sie Zugeständnisse machen?

Hans Henning Paar: Nein. Natürlich wird es eine Beteiligung am Musiktheater geben, aber nicht mehr, als vorher üblich. Wir sind auf keinen Fall eine Operetten-Tanzkompanie. Ich habe mit 20 Tänzerstellen auch nicht weniger als Philip Taylor, besetze aber nicht alle, damit ich mit dem freien Geld jonglieren kann. Nur so kann ich mir einen Dreiteiler wie den im Februar 2008 leisten, mit Forsythe, Stephan Thoss und Marco Goecke. Und wenn Forsythe, dann machen wir keinen auf Spitze. Wir wollen uns nicht in Konkurrenz, aber inhaltlich vom Staatsballett absetzen. Es ist unsere große Chance, auf der relativ kleinen Bühne des Gärtnerplatztheaters ganz intimes, spannendes, menschenbezogenes Tanztheater zu machen. Das ist das, wo ich hin will.

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