Drei Ballette in Hagen

„Rituale“ mit Feuer, Wasser und Blut

Hagen, 01/10/2007

Naturelemente wie Feuer, Wasser und Luft spielen in Ricardo Fernandos dreiteiligem Ballettabend wichtige Rollen. Licht und Farben setzen sinnliche Akzente in den „Ritualen“ - so der Titel des Programms – um Liebe, gesellschaftliches Zeremoniell und Hierarchien. Drei Klassiker der Balletts Russes, uraufgeführt in der Choreografie von Waclaw Nijinski und seiner Schwester Bronislawa Nijinska zwischen 1912 und 1923, dienen dem Brasilianer als Vorlagen für seine Folge getanzter Zeremonien.

Zu Beginn von Strawinskys „Sacre du Printemps“ wälzen sich erdige Urmenschen, wie aus dem Winterschlaf erwachende Tiere, aus dem finsteren Orkus in eine lichte Welt. Hell lodernde Feuerschalen säumen den Bühnenrand. Zwei blutgefüllte Schalen flankieren die Rampe (Ausstattung: Petra Mollerus). Sehr nah an Nijinskis Bewegungssprache angelehnt vollzieht die Gruppe aus sechs Tänzern und Tänzerinnen das Ritual des Frühlingserwachens zu den drängenden, motorischen, stampfenden Rhythmen der Musik (leider nicht live musiziert) bis zur Wahl des „Opfers“, das sich für den Frühlingsgott in Ekstase bis zum Tod tanzen muss.

Athletisch und betont akrobatisch wirkt Daria Dergousova in ihrem langen, kraftraubenden Solo. Kein gehetztes Opfer ist sie, wie etwa Pina Bausch die „Auserwählte“ interpretiert, sondern eine sich stolz und willig bis zur tödlichen Erschöpfung für das Weiterleben der anderen Opfernde. Claude Debussys vielfach choreografierter schwühl-erotischer Pas de deux des Faun mit der Nymphe wird in Nijinskis legendärer Originalfassung immer unerreicht bleiben. Fernando ersetzt die lasziv lauernde Spielerei der beiden Fabelwesen miteinander durch unbefangen fröhliche Neckereien zweier junger Liebender. Carla Silva ist die geschmeidige Nymphe, Marcelo Moraes der aus dem Baumstamm tretende Muskelmann.

Noch realistischer zeigt Fernando Strawinskys „Les Noces“ (Hochzeit). Umgeben von Freunden und Verwandten in schwarzen (bauchfreien) Gewändern nähert sich das Brautpaar, ganz in weiß natürlich, einander an. Simona Tartaglione und Angelo Murdocco überzeugten durch besondere technische Finesse und Ausstrahlung. Ecken und Kanten, Zweifel oder Verzweiflung hat Fernando wegpoliert. Es bleibt der schöne Schein. Das gefällt. Hagens neuer Intendant Norbert Hilchenbach tat gut daran, den Ballettchef und seine 14-köpfige Truppe als Garanten für volle Häuser vom Vorgänger zu übernehmen. Mit minutenlangen stehenden Ovationen attestierten die Premierenbesucher ihre Zustimmung.


Nächste Vorstellungen im Theater Hagen: 6., 11. und 19. 10. 2007
Karten: 02331-20732-18 oder -19.

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