Der Tanz dreht eine Ehrenrunde

Die Bilanz der Tanzwerkstatt Europa

München, 14/08/2007

Schön wär's - aber, leider, man kann sie nicht jedes Jahr frisch von den Bäumen ernten, die Bauschs, Forsythes, Vandekeybus' und Waltzs. Da kann der Festival-Betrieb noch so umtriebig sein. Und ganz ehrlich hat ja Walter Heun zu Beginn seiner Münchner Tanzwerkstatt Europa den Ist-Zustand auf den Punkt gebracht: nämlich, dass zur Zeit „der Tanz eine Art Ehrenrunde dreht, nachdem er sehr viele künstlerische Innovationen eingeführt hat“, damals in den 80er, zum Teil auch noch in den 90er Jahren.

Aber, warum darf der zeitgenössische Tanz nicht auch - einfach nur mal ästhetisch schön sein? Wie jetzt bei Thomas Hauert, wie bei Felix Ruckert, der mit Anleihen beim indischen Bharatanatyam sozusagen einen luxuriös-heiteren west-östlichen Diwan choreographierte. Wo die genannten Tanzmacher sich eine Besinnungspause gönnen, sich handwerklich perfektionieren oder in fremden Kulturen neue Anregung suchen (Maler wie Gauguin haben es vorgemacht), gehen andere in die, nennen wir es: intellektuelle Emigration. Dürfen, sollen sie - zur eigenen Regeneration.

Ärgerlich jedoch ist, dass es spätestens seit den Konzept-Choreographen Jerôme Bel und Xavier LeRoy als schick gilt, Selbstreflexion und philosophische Exercicen zum Tanz als „Lecture-Performance“ zu verkaufen. Joao Fiadeiro ist clever auf diesen Zug aufgesprungen. Hélas, so ganz ohne den Charme und Witz, mit dem immerhin das britische New-Art-Club-Duo zum TWE-Auftakt seine Tanzgeschichtsstunde kredenzte. Der Portugiese liest vom Blatt, was er aus diversen wissenschaftlichen Thesen zusammengeklaubt hat. Das verschriftete Englisch ist bei all seiner Zungenbemühung nicht immer verständlich. Um „Real time composition“ sollte es gehen und die Selbstbeobachtung des Tänzers beim Tanzen. Diderot und Kleist waren da schon gute zweihundert Jahre früher am Thema. Über die Leinwand flimmerten zwei ultrakurze Filmchen. Das war's an theatraler Aufbereitung. Nach 35 drögen Minuten durfte dann das Publikum mit Fragen übernehmen.

Wir fragen: Muss denn zeitgenössischer Tanz auf Teufel komm raus überraschen oder provozieren? Nein. Er muss nur ernsthafte Suche, ehrliche Arbeit sein. Eine solche konnte man zum Finale von der Spanierin Angels Margarit erleben. Die vielfach ausgezeichnete Choreographin hat eine Katze beobachtet. Das klingt simpel. Aber auch schon T. S. Eliot ließ sich von den eigenwilligen Haustigerchen inspirieren. Und wie die Margarit ihre Beobachtungen umgesetzt, das Instinkt-Tierhafte im eigenen Körper ausgelotet hat: wohlig, lasziv, verspielt all den unwahrscheinlich vielen Streck-, Dehn- und Spielmöglichkeiten hingegeben, kätzisch träge und flink den Raum erkundend, wunderbar in ihrer technisch-tänzerischen Qualität, das ist - mit nichts als ein paar spielerisch genutzten Requisiten, einer live Cello-Begleitung oder einem zugespielten Elliot Sharp tatsächlich abendfüllend.

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