Tanz als Lebenselixier

Und noch ein Tanzfilm: „Step Up“

oe
Stuttgart, 05/10/2006

Tanz hat Konjunktur! Nicht nur auf dem Theater, in den Ballsälen, Sportarenen, auf den Straßen und Fernsehbildschirmen: auch der Film hat den Tanz entdeckt – wiederentdeckt, nachdem die Epoche der großen Filmmusicals zu Ende gegangen ist und offenbar eine Erschöpfungspause eingetreten war. Na ja, Fred Astaire mit Ginger Rogers, Gene Kelly und Zizi Jeanmaire haben keine Nachfolger gefunden, jedenfalls keine von ihrem tänzerischen Format. Also hat sich Hollywood eine neue Gattung einfallen lassen, die noch keinen Namen hat.

Eigentlich war‘s auch nicht Hollywood, sondern London, das da vorgeprescht ist. Auslösender Funke war just zur Jahrtausendwende Stephen Daldrys „Billy Elliot“, in dem sich in einem englischen Bergarbeiterkaff ein elfjähriger Knirps aus seinem tristen Familienmilieu löst, per Zufall in eine Amateur-Ballettklasse gerät, dort Feuer fängt, sehr gegen den Willen seines Vaters und Bruders zu trainieren beginnt und schließlich bei einer großen Ballettkompanie landet. Tanz als Sozialisation also oder „You can change your life in a dance class“ wie der Untertitel des sensationell erfolgreichen Films „Rhythm Is It!“ über das Projekt lautet, in dem Royston Maldoom mit Berliner Schülern und den Philharmonikern unter Simon Rattle Strawinskys „Sacre du printemps“ erarbeitet. Seither häufen sich die Filme über Teenager aus den verschiedensten sozialen Schichten, die in den Tanzklassen ihrer Schulen plötzlich schöpferische Energien entdecken, die ihnen neue Lebensperspektiven eröffnen.

Nach „Mad Hot Ballroom“, „Rize“ und „Dance“ kommt jetzt „Step Up“ in die Kinos – und wieder geht es in die Tanzklasse einer amerikanischen Schule, diesmal in eine Highschool of Performing Arts in Baltimore, deren Tanzklasse sich gerade auf ein Semester-Abschlussevent vorbereitet. Tyler, ein cooler Junge aus den Slums, der sich mit seinen Kumpels auf den Straßen herumtreibt, Autos demoliert und bei einem Einbruch erwischt wird, muss 200 Stunden Sozialarbeit mit Hausmeisterdiensten an eben dieser Schule absolvieren. Wo er – natürlich rein per Zufall – eine Ballettklasse beobachtet und das zickige Gehabe der Mädchen und Jungen in Strumpfhosen unmöglich findet, denn er ist eher ein Baseball-Spielertyp und ein Freestyle-Dancer und Hip-Hopper.

Natürlich verliebt er sich in eins der Girls, und als deren Partner ausfällt, springt er ein, probt mit ihr und zusammen stieben die beiden in der entscheidenden Vorstellung mit einer Tanznummer über die Bühne, dass es nur so kracht. Wozu es im Pressetext heißt: „Nur mit viel Durchhaltevermögen, Elan, Mut und einem unerschütterlichen Glauben an sich selbst, den Tyler auch erlernen muss, gelingt es dem Paar schließlich, ihren persönlichen Tanz-Olymp zu erklimmen.“ Keine Frage, Tyler wird über kurz oder lang in einem Musical am Broadway landen, während Nora, die aus einer betuchten Familie kommt, von einer Ballerinenkarriere träumt. Also auch hier wieder der Tanz als Lebenshilfe.

Mit Anne Fletcher als Regisseuse und Choreografin, die auf zahlreiche Filme, TV-Produktionen und Shows zurückblicken kann, bietet „Step Up“ jede Menge Tanzszenen, eher konventionell, soweit es die Proben im Ballettsaal und an der Stange betrifft, aber wirklich elektrisierend, wenn Channing Tatum als Tyler seine Freestyle- und Hip-Hop-Nummern absolviert. Die Love-Affaire zwischen den pubertierenden Kids mir ihren Ups und Downs gibt sich ziemlich klischeehaft und uninspiriert, aber die Explosivkraft der Street- und Hip-Hop-Dances ist unwiderstehlich.

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