Der Tanz bin ich

Dance: Medienkünstlerin Tamiko Thiel im i-camp

München, 10/11/2006

Welche Bilder hat eine Asiatin vor Augen, wenn sie an den Westen denkt? Mariko stellt sich vor, der ganze Westen sei wie Venedig – so, wie manche Europäer China und Japan vermischen, wenn es um Asien geht. „Man schafft sich mit der Vorstellungskraft eine Welt, die so nicht existiert“, sagt Tamiko Thiel. Für die Installation „The Travels of Mariko Horo – In the Land of Barbarian“ hat die in München lebende Medienkünstlerin die Piazza San Marco mit dem Palazzo Ducale und der Basilica San Marco im Originalmaßstab nachgebaut. Auf der Leinwand gleiten Engel mit asiatischen Gesichtern vorüber; ihre Flügel fächern sich auf, alles strömt.

Thiel sitzt an den Reglern von Bild- und Tonspur und hat zugleich die beiden Tänzer im Blick, die sich im harten Kontrast zu der flutenden Bilderwelt bewegen: zuckend, stockend, hart. Asiatische Butoh-Tänzer wollte sie haben. Nun arbeitet sie mit Ishide Takuya zusammen, der Mitglied des Ensembles von Tatsumi Hijikata war, dem legendären Begründer des Butoh, und mit Shinichi Iova-Koga, der wie Tamiko Thiel mit einem japanischen Elternteil in den USA aufgewachsen ist. Butoh, dieser „Tanz der Finsternis“, in dem sich die Tradition des deutschen Ausdruckstanzes und des japanischen Volkstanzes vermischen, steht bei Tamiko Thiel für die Integration des Westlichen ins Östliche. „Butoh“, erklärt Iova-Koga, „heißt, eine bestimmte Perspektive auf das eigene Leben zu haben.“ Butoh, so Takuya, sei der Tänzer selbst. Zum ersten Mal integriert Thiel Tanz in ihre virtuellen 3D-Welten. „Meine Welt hat eine bestimmte Logik“, sagt sie, „Tanz hat eine andere. Ich lerne jetzt, wie man gut zusammenarbeiten könnte.“ Schnell wird die Kombination von Bild und Tanz zu komplex. „Wir müssen alles viel, viel einfacher machen, kürzen.“ Die Qualität der Szenen steht fest, alles andere improvisieren die Tänzer. Dabei lassen sie sich von den Bildern Thiels anregen: Etwa ein Stuhl, der Takuya an Folterszenen erinnert. Krachend schlägt er zwei in Kreuzesform gehaltene Holzscheite aufeinander. „Der Körper hat seine eigenen Geschichten“, ist Iova-Koga überzeugt. „Er findet sie in sich und bringt sie hervor.“ In Thiels Video gibt es keine Menschen, nur stilisierte Figuren. Bei den Aufführungen sind die Tänzer das Bindeglied zwischen Virtualität und Realität

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