Traum oder kein Traum?

Die Jungen Choreographen bei den Tanztagen 2006

Berlin, 07/01/2006

Die „Jungen Choreographen“ sind in diesem Jahr sechs Choreographinnen. Ihre Stücke – drei davon sind Uraufführungen – werden zwischen dem 5. und dem 8. Januar in den Berliner Sophiensälen gezeigt: Dela Diezel stellt in ihrem Stück „Traumhaft“ immer wieder die Frage „Traum oder kein Traum?“. Sie lässt ihre vier Tänzerinnen in schwarzen Hosen und Kapuzensweatern mit elastischen Gummiseilen, die von der Decke herunterhängen, experimentieren: Kopf stehend verstricken sich die Träumerinnen in ihnen, hängen wie zwischen zwei Saiten oder schießen vom gespannten Gummibogen einen imaginären Pfeil. Interessante Momente, die allerdings immer wieder vom üblichen Springen gegen die Wand und Am-Boden-Wälzen unterbrochen werden. Erwähnenswert ist die auf einem Stuhl an der Wand hängende Sängerin Yara Rodriguez de Castro, die ein Stück von DeLaRock singt.

Es folgt „Dreifach“ von Anna Melnikova, ein Stück über die Enge und das Eingeschlossensein, das von Zufit Simon eindrucksvoll getanzt wird. Eine durchsichtige quadratische Plastikwand und ein Lichtquadrat auf dem Boden begrenzen den Raum; bei ihren Ausbruchsversuchen aus diesen Grenzen wird Simon auch mit den eigenen Körpergrenzen konfrontiert, die sie immer wieder mit dem Zeigefinger umfährt. Eine immer schneller werdende Stimmt ruft „come out“, und die Tänzerin versucht, das Tempo zu erhöhen, läuft wie in einem Hamsterrad. Überraschend, befreiend und witzig ist die Schlusspointe, in der Simon trotzig gegen die Plastikwand tritt und die ganze Szenerie entnervt verlässt.

In „hausboot“ von Raisa Kröger, die selbst auch mittanzt, zeigen zwei Frauen ein – wie man wiederholt per Megafon erfährt – nicht männerfeindliches Stück. Etwas zu cool geraten ist die Performance der beiden Amazonen in Adidas-Sporthosen und Turnschuhen, die sich zwischen dynamischen Hinfall-, Wälz- und Aufstehsequenzen darüber Gedanken machen, ob sie heiraten würden, was den Glücklichen auszeichnen müsste und warum sie Männer lieben.

Eine ausdrucksstarke Interpretation gelingt Sarah Huby in Anna Konjetzkys Solo „einer“ zu einem Text von Daniil Charms über „einen Mann, der überhaupt nichts hat“, vielleicht gar nicht existiert. Extrem präsent in jeder noch so kleinen Bewegung kämpft Sarah Huby, die an ihren Handgelenken mit von der Decke hängenden Bändern gefesselt ist, zwischen Hoffnung und Resignation, bevor sie sich am Ende erhängt. Eine verdichtete, präzise und auf den Punkt gebrachte Choreographie.

Zumindest was ihre Erfahrung betrifft, gehört Corinna Spieth nicht mehr zu den ganz jungen Choreographen. Sie schuf bereits zahlreiche Choreographien, unter anderem auch für die Noverre-Abende mit dem Stuttgarter Ballett. Ihr Stück „Exit“ zeigt drei Frauen, die sich im Konflikt zwischen individuellem Handeln und Anpassung befinden und sich gegenseitig einen einheitlichen Takt aufzwingen wollen. Sie suchen Konformität aber auch Abgrenzung und am Ende schafft es jede, ihren persönlichen Exit zu finden – gut konzipiert und auch handwerklich gut umgesetzt. Die Abschlusschoreographie „antaratman – von dort, zu ort, nach haus“ von Vanessa Huber-Christen plätschert mit einer Wasserprojektion im Hintergrund vor sich hin und überschreitet mitunter die Grenze zum Kitsch. Immerhin beteiligt diese Produktion den einzigen Mann des Abends, Florian Bilbao, und trägt somit zum Erreichen der Männerquote bei.

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