Ich-AG oder Wir-GmbH?

Fünf Jahre „koeglerjournal“

oe
Stuttgart, 28/03/2006

Bin ich nun eine Ich-AG? Wenn sich in diesen Tagen das Erscheinen des koeglerjournal zum fünften Male jährt, so setzt das nicht zuletzt mich in Erstaunen, denn das war ja keineswegs abzusehen, als hier am 28. März 2001 das erste kj über Joachim Schlömer und seine Basler Finalproduktion „Senza Fine – oder als Rimini noch schön war“ angekündigt wurde. Fünf Jahre später könnte ein heutiges kj auch heißen: „Joachim Schlömer und seine Heimkehr zum Tanztheater“ (als designierter Leiter der Heidelberg-Freiburger Co-Op-Kompanie).

Fünf Jahre – wie viele Ich-AGs haben diesen Zeitraum überlebt? Und noch zeichnet sich hier kein Ende, keine – wie das heute so schön heißt – Insolvenz ab. Auch keine freundliche oder feindliche Übernahme – wie ich sie mir in gelegentlichen Schwächeanfallsmomenten vorstelle, um endlich auch mal ein bisschen zu Geld zu kommen. Denn bisher investiere ich ja nur, pausenlos, Woche um Woche, Monat um Monat, Jahr für Jahr.

Aber mit der Ich-AG stimmt das freilich nicht so ganz. Denn im Grunde sind wir ja eine Trio-AG – oder sind wir dann schon eine GmbH? Das Betriebsklima scheint mir jedenfalls ideal – allerdings gibt es bei uns keinen Betriebsrat, keine 35-Stunden Woche, keine (oder überhaupt nur) Überstunden, keine Feiertagszuschläge und weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld. Doch was wäre ich ohne meine zwei Partnerinnen AR und NH? Ein armes, hilfloses Würstchen, das sich laufend in den Fallstricken von EDV und Internet verfängt! Und der immer wieder von zu Hause oder unterwegs aus schrecklich verräucherten und durchlärmten Internet-Cafés seine Hilferufe aussendet. Denn man macht sich ja keinen Begriff, unter welchen Umständen diese kjs entstehen – auf den ständigen Reisen ohne jegliche Hilfsmittel à la Lexika oder sonstige Nachschlagewerke.

Immerhin haben wir es in fünf Jahren auf über 700 kjs gebracht. Damit berichten wir weit mehr über Tanz als die Printmedien. Das ist doch was! Und ich muss schon zugeben, dass mich das mit einem gewissen Stolz erfüllt. Und bisher jedenfalls ohne die geringsten Ermüdungs- oder Abnutzungserscheinungen (trotz des lästigen altersbedingten Kräfteabbaus). Im Gegenteil: mit noch immer fortwuchernder Neugierde.

Ich muss natürlich zugeben, dass ich mich in einer einzigartig privilegierten Situation befinde: nämlich nur mir selbst verpflichtet zu sein – zu entscheiden, was ich für wichtig halte und worauf ich glaube verzichten zu können. Es ist ein sehr kostspieliges Privileg, klar – aber noch kann ich es mir leisten. Wie lange noch, steht in den Sternen. Aber mit der Hilfe meiner beiden Partnerinnen sieht es nicht so aus, als ob dem kj so bald ein Kollaps bevorstünde.

Was mich indessen auch nach fünf Jahren noch immer wurmt, ist, dass auch regelmäßige kj-Konsumenten partout nicht kapieren wollen, dass es sich hier nicht um Kritiken handelt, sondern eher um Tagebuchnotizen. Da kann ich noch so oft darauf hinweisen – immer wieder werde ich auf meine „Kritiken“ angesprochen. Und noch ein Zweites kann ich nicht recht verstehen. Obwohl ich mehrfach ausdrücklich dazu eingeladen habe, dass sich kaum jemand mit seinem Widerspruch zu Worte meldet. Haben die Leute so viel Respekt vor mir? Dann hätten sie mehr davon als ich selbst. Denn im Gegensatz zu manchem Kollegen, bin ich ganz und gar nicht der Meinung, im Besitz der einzigen wahren und objektiven Wahrheit zu sein (oder, wie Norbert Servos so schön sagen würde: der Deutungshoheit). Also Leute: habt Mut – wenn es denn überhaupt eines solchen bedarf – und erklärt frei heraus, dass, was da im kj steht, zwar gut und schön sein mag, dass man aber auch ganz anderer Meinung sein kann!

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