Die französische Ballerina Irène Skorik verstarb in Paris

Die erste Münchner Nachkriegs-Giselle

Paris, 13/10/2006

Von Inge Zürner

Am 28. Juli verstarb, in ihrem zweiundachzigsten Lebensjahr, die französische Ballerina Irène Skorik in Paris. Für das Münchner Publikum bleibt Irène Skorik unvergessen vor allem als die erste bedeutende Ballerina nach dem Krieg, die einem der Ballettklassik lange entwöhnten Publikum aufs eindrücklichste wieder ins Gedächtnis rief, was das klassische Ballett in seiner seriösen Form künstlerisch zu leisten vermag.

Die am 27. Januar 1925* geborene Irène Skorik war die Ballerina von Les Ballets des Champs Élysées, der bedeutendsten, da trotz strenger russischer Klassik auch innovativsten französischen Ballettkompanien der Nachkriegszeit. Das Gastspiel der Kompanie im Prinzregententheater im Oktober 1949 war, laut O. F. Regners Beschreibung, „ein unvergleichliches Ereignis“, das aufzeigte, „dass erstrangiges Ballett seine Anziehung auf das Publikum ausübt.“ Irène Skoriks französischer Vater förderte neben der gymnasialen auch die musikalische Ausbildung seiner Tochter als Pianistin, ihre russische Mutter dagegen die Ballettausbildung bei Olga Préobrajenskaya aus St. Petersburg, jüngste der zaristischen Ballerinen, die eng mit Marius Petipa bis zu dessen Tod zusammengearbeitet hatte und nach ihrer Flucht vor der Revolution ihr Wissen als legendäre Lehrerin in Paris an junge Tänzer weitergab.

Wohl auf Grund des Gastspiels von 1949 wurden der Ballettmeister der Truppe, Victor Gsovsky und seine Ballerina Irène Skorik an die Spitze des Balletts der Bayerischen Staatsoper verpflichtet. Sie begeisterten ein immer größeres Publikum für das Ballett als aussagekräftige, eigenständige Kunst, sowohl in Form der klassischen russischen Tradition wie „Schwanensee“ (Akt II), als auch neuer tanzdramatischer Werke wie „Hamlet“ (19. November 1950). Als Partner der in München sofort als Star mit magnetischer Anziehungskraft bewunderten Irène Skorik bildete Gsovsky zwei Münchner Tanzeleven zu bis heute unvergessenen Solisten heran: Heino Hallhuber und Franz Baur.

Auch unter Gsovskys Nachfolgern ab 1952, Pia und Pino Mlakar, sowie Alan Carter, blieb Irène Skorik in München die charismatische Gastballerina, die, zumal mit ihrer „Giselle“ (inszeniert von Alan Carter nach der Fassung des Sadler‘s Wells Ballet am 4. März 1956), für die Gründergeneration des Münchner Ballettpublikums der Nachkriegszeit zur Inspiration wurde. Dazu unternahm Irène Skorik Gastspielreisen, etwa mit Tatjana Gsovskys Berliner Ballett und dem London Festival Ballet, bevor sie noch einmal, wie in München, für die Gründung des Basler Balletts unter Vaslav Orlikovsky in den frühen sechziger Jahren die führenden Ballerinenrollen in Balletten wie z.B. „Schwanensee“, „Dornröschen“, aber auch Uraufführungen wie „Die steinerne Blume“ übernahm.

Nach ihrem Rückzug von der Bühne unterrichtete sie ab 1971 viele Jahre lang in Paris. Ihr letztes Lebensjahrzehnt verbrachte sie teils an der Côte d‘Azur, teils auf ausgedehnten Reisen. Der Tod am 8. Juli 2006 ereilte sie in Paris nach längerer Krankheit.

* Ihr in allen Lexika angegebenes Geburtsdatum 1928 stellte sie nach Abschluss ihrer Bühnen-Karriere in vertraulichem Kreis richtig

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