Tanz, satt - sechs Stunden lang, via arte-tv

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Arte, 30/05/2004

Ein Themenabend bei arte – sechs Stunden Tanz zur besten Sendezeit, unterbrochen nur durch ein kurzes Nachrichtenjournal. Wann hat es das zuletzt gegeben? Zuletzt offenbar vor zweieinhalb Jahren als „TanzWelten“ via 3sat (siehe koeglerjournal vom 31.12.2001). Zuerst also die Gala anlässlich des Internationalen Movimentos TanzPreises aus dem Kraftwerk der Autostadt in Wolfsburg. Immerhin anderthalb Stunden lang. Das ermöglichte jedem Interessierten, sich selbst ein Urteil zu bilden über die Entscheidungen der Jury, anhand der großzügig bemessenen Ausschnitte aus den Stücken von Mourad Merzouki, Tero Saarinen, Sidi Larbi Cherkaoui und dem kompletten „Bolero“ von Maurice Béjart sowie den Filmclips von Akram Khan und Alina Cojocaru.  Vielleicht hätten ja ein paar zusätzliche Scheinwerfer dem Ganzen gut getan – so blieb Vieles doch arg dunkel.

Dann also der Film „Die Nacht der Entscheidung“ (alias „White Nights“) aus dem Jahr 1985, mit Mikhail Baryschnikow und Gregory Hines, ein Ballett-Thriller, wenn es je einen gegeben hat, über die dramatische Notlandung eines amerikanischen Flugzeugs mit einem prominenten russischen Dissidenten-Startänzer an Bord in Sibirien und seiner Begegnung mit einem in die Sowjetunion emigrierten amerikanischen Stepptänzer nebst den daraus sich ergebenden Konflikten mit dem sowjetischen KBG. Habe ich nach fast 20 Jahren gern wieder gesehen, nicht zuletzt der tollen Tanzszenen wegen – und doppelt so nach dem langweiligen und desaströsen Robert Altman-Film „The Company“ mit dem total verkitschten Ballett von Robert Desrosiers (und den nicht viel besseren Balletteinlagen von Lar Lubovitch).

Es folgte eine sehr schöne und bewegende einstündige Dokumentation von Christian Schuld: „Bolshoj Drill – Ein Jahr an der Moskauer Ballettakademie“, bei dem mich besonders die Modernität des Instituts beeindruckte – hinsichtlich der Architektur, aber auch was die Lehrmethodik und den Umgang der Dozenten mit den ihnen anvertrauten Schützlingen anging. Sehr wirkungsvoll auch die Kontraste zwischen dem brausenden Metropolenleben in Moskau und der geradezu klösterliche Atmosphäre in den Studios – und natürlich die Schilderung der Herkunft einzelner Schüler aus der abgeschiedensten russischen Provinz und der Stolz der Eltern auf ihre Kinder über deren Aufnahme in dem renommierten Institut und ihrem ersten Besuch in Moskau und im Bolschoi-Theater.

Und dann ging‘s noch eine ganze Stunde weiter mit „Die Revolution des Sergej Diaghilew“, eine sympathische und ganz erstaunlich informationsreiche Dokumentation von Eva Gerberding und André Schäfer, an der auch Jochen Ulrich und Martin Puttke beteiligt waren. Sie vermittelte durchaus einen Eindruck, wie sensationell das Erscheinen der charismatischen Persönlichkeit Diaghilews und seiner Ballets Russes während der ersten beiden Dezennien des 20. Jahrhunderts auf die damaligen Zeitgenossen und die Kunstgeschichte allgemein gewirkt hat. Eine kluge Programmzusammenstellung des ja auch sonst um die Tanzkunst erfreulich verdienten Fernsehsenders. Große Gratulation und Herzlichen Dank nach Straßburg!

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