Les Grands Ballets Canadiens de Montréal

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Ludwigsburg, 02/04/2004

Drei renommierte Choreografen – und doch ein ziemlich flauer Eindruck beim Gastspiel der Grands Ballets Canadiens aus Montréal im Ludwigsburger Forum am Schlosspark. Nicht vergleichbar den Jubelstürmen, die die Kanadier offenbar kürzlich im Rahmen der Münchner Ballettwoche ausgelöst haben. Dabei hier wie dort der international hoch gehandelte Ohad Naharin. Doch sein zur Eröffnung gegebenes Stück „Queens of Golube/Black Milk“ sind eigentlich zwei Stücke, die nichts miteinander zu tun haben, und die beide seltsam unfertig wirken.

Das erste, zu Arvo Pärts sattsam bekannten „Fratres“ für sieben amazonenhaft gepanzerte Damen, die alle einzeln auftreten, sich kaum von der Stelle bewegen und sich in den querständigsten Verrenkungen ergehen. Wie eine Vorbereitungsetüde – fragt sich nur, wofür. Das zweite dann zu einer Marimba-Etüde von Paul Smadbeck für fünf Männer, barbrüstig, in Hosenröcken – eine Art Initiationsritual, für das sich alle schwarz anmalen, wild herumwirbeln, bis sich einer loslöst und mit Wasser reinwäscht – ohne sonderliche Folgen. Siebenundzwanzig Minuten Unschlüssigkeit. Der Schluss dann ein ziemliches Ärgernis: „Les Noces“ vom vierzigjährigen Belgier Stijn Celis zu Strawinskys russischen Tanzszenen für zwölf plus zwölf Tänzerinnen und Tänzer.

Von dem haben wir auch schon Besseres gesehen (zum Beispiel in Bern, Nürnberg, Wiesbaden und Mainz). Hier also modern – nichts Russisches, muss ja auch nicht sein. Kein Einzelpaar, das zwangsverheiratet wird, mit Familienanhang, sondern zwölf heiratswütige Paare – zusammen gekommen wie zu einer Hochzeitsmesse in Gretna Green, wobei die Männer erst mal Bänke schleppen und dann immer wieder umstellen müssen. Die Frauen von Catherine Voeffray so scheußlich in weißem Tüll und Spitzen (aber natürlich barfuß) gekleidet, dass sie aussehen wie gerupfte Schwäne. Dem Ganzen ist ein kraftvoller Elan nicht abzusprechen. Irgendwelche Textbezüge sind nicht zu entdecken – spielen auch keine Rolle, denn der ist bekanntlich russisch, und das versteht sowieso keiner. Kein Vergleich mit den sehr unterschiedlichen, immer aber an das Ritual gebundenen Versionen etwa von Nijinska, Robbins, Rosen, Tatjana Gsovsky, Kylián, Skibine (unvergesslich Falco Kapuste in Wiesbaden!), Béjart oder Lubovitch. Eine unverbindliche choreografische Beliebigkeit – dafür aber ist Strawinskys Musik zu charaktergeprägt. Könnte ebenso gut auch zu einer anderen Musik getanzt werden!

Bleibt das Mittelstück: Nacho Duatos „Without Words“ zu Schubert-Liedern, in einer Transkription von Mischa Maisky für Cello und Klavier. Kreiert 1998 für drei Tänzerpaare des American Ballet Theater, seit dem Vorjahr auch im Repertoire des Berliner Staatsopernballetts. Dort immerhin mit Beatrice Knop und Vladimir Malkhov, hier nun ohne tänzerische Klassenunterschiede in der Besetzung. Sechs Tänzer, die sich laut Programmheft „über Liebe und Tod unterhalten, ein universeller Lebenszyklus, befreit von ihrer romantischen Atmosphäre, von überflüssigem Zierrat.“ Das, mit Verlaub, ist purer Unsinn. Denn wenn Duato die Lieder von ihrer romantischen Atmosphäre befreit hätte, sie sozusagen plastiziniert hätte à la „Körperwelten“ des bewussten Heidelberger Professors, dessen Namen mir entfallen ist, hätte er Schubert entseelt. Hat er aber nicht, sondern seine Pas de deux, Pas de trois und kleinen Ensembles mit feiner Sensibilität in den romantischen Kurvenfluss der Musik eingeschmiegt, und so ist ein wunderschönes, ungemein flüssiges, sehr poetisches Ballett zustande gekommen, leicht melancholisch timbriert, von den drei plus drei Tänzerinnen und Tänzern der Grands Ballets Canadiens mit behutsamer, zärtlicher, geradezu fragiler Empfindsamkeit getanzt. So werden wir die Kanadier aus Montréal bis zu ihrem nächsten Gastspiel gern in Erinnerung behalten!

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