Ein Jahr der Jubiläen

oe
Stuttgart, 06/06/2004

Jubiläen allenthalben! Fast hat es den Anschein, als ob wir aus dem Feiern gar nicht mehr herauskommen! Weltweit und das ganze Jahr hindurch wird der hundertste Geburtstag von George Balanchine zelebriert – und besonders intensiv und ausgiebig natürlich beim New York City Ballet. Auffallend allerdings ein Dämpfer, der ausgerechnet aus der Stadt seiner Geburt kommt. Im Juni-Heft der englischen Dancing Times berichtet Igor Stupnikov in seinem monatlichen „Letter from St. Petersburg“ über die jüngste Mariinsky-Premiere mit den Einstudierungen von „The Four Temperaments“, „La Valse“ und „Ballet Imperial“ – was die Zahl der Balanchine-Ballette der Kompanie auf zehn erhöht – von einer eher zurückhaltenden Aufnahme beim Publikum und der Kritik: „Keiner geriet in Verzückung, und es gab keinen enthusiastischen Applaus.“

Selbst Lopatkina, Vishneva und Zelensky fesselten nicht wie gewohnt, so dass Gospodin Igor zu bedenken gibt: „Vielleicht sind wir ja alle ein bisschen Balanchines überdrüssig.“ Hört, Hört! Mal sehen, wie die Reaktionen dann bei den Festivitäten anlässlich des hundertsten Geburtstags von Frederick Ashton am 17. September ausfallen. Aber die Engländer beklagen sich ja immer, dass sie zu wenig Ashton zu sehen kriegen – und im Weltrepertoire sind Ashton-Ballette ja wesentlich sparsamer vertreten als die seines russisch-amerikanischen Kollegen. Seinen fünfzigsten Geburtstag feierte jetzt Maurice Béjart in Lausanne – nein, nicht dass er gerade das halbe Hundert erreicht hätte (er gehört bekanntlich zusammen mit Juri Grigorowitsch, John Cranko, Pavel Smok und Erich Walter zum großen Choreografen-Jahrgang 1927), aber vor fünfzig Jahren gründete er zusammen mit dem Journalisten Jean Laurent das Ballet de l‘Étoile. Das heißt: eigentlich hat er es schon ein Jahr zuvor gegründet, 1953, als Les Ballets Romantiques, doch die scheinen seinem heutigen Renommee als Ballettmann des XXe Siècle offenbar nicht mehr angemessen.

Die vielleicht imposanteste Jubelfeier des Jahres aber beginnt heute in Hamburg: die 30. Hamburger Ballett-Tage. Sie dauern bis zum 27. Juni – also geschlagene drei Wochen (und sogar noch ein bisschen länger, denn am 4. Juni gab es bereits eine Voraufführung der Neueinstudierung von „Romeo und Julia“). Geboten werden 15 abendfüllende Neumeier-Produktionen, dazu eine Ballett-Werkstatt und eine Demonstration diverser Schulen (darunter natürlich auch Hamburg), drei Gala-Vorstellungen mit Solisten aus sechs verschiedenen Kompanien und zum krönenden Abschluss die Nijinsky-Gala XXX. Das ist wahrlich ein Mammut-Programm, dessen Proben-Logistik einem geradezu den Atem verschlägt. Einmal ganz abgesehen von den Kosten, die das Projekt mit so vielen Gästen verschlingt! Und das in diesen Tagen, da allenthalben äußerste Sparsamkeit das Gebot der Stunde ist. Toi-toi-toi also nach Hamburg!

Vergessen wir indessen nicht, dass andernorts eher Funeralien angesagt sind: an der Spree die letzten Vorstellungen des BerlinBalletts – Komische Oper und des Balletts der Deutschen Oper, am Neckar die Derniere des Tanztheaters Irina Pauls, an der Dreisam (das ist das Flüsschen, das Freiburg durchzieht) der Auszug von Amanda Millers Pretty Ugly Kompanie und an der Limmat das Ende der Residenz Meg Stuarts und ihrer Damaged Goods am Zürcher Schauspielhaus.

Kommentare

Noch keine Beiträge