Die amerikanische Bestenliste

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Stuttgart, 30/06/2004

Das in New York erscheinende Dance Magazine behauptet zwar nicht, America‘s Leading Dance Magazine zu sein, gehört aber natürlich zur internationalen Spitzengruppe der meinungsbildenden Tanzpublikationen. Ein flüchtiges Surfen durch seine gut achtzig Seiten genügt, um zu konstatieren, was für ganz andere Vorstellungen man dort von den Ansprüchen der Leser hat. Aus deutscher Perspektive nimmt sich das doch wenig nachahmenswert aus: zu grell, zu populistisch, zu viele Anzeigen. Jedenfalls erscheint es jeweils bereits um die Mitte des Vormonats (reagiert aber eben deswegen auf die aktuellen Ereignisse mit mehrmonatiger Verspätung).

Das Juli-Heft ist ganz auf das Thema Hip-Hop konzentriert – ein weiterer Schwerpunkt ist der im September bevorstehende hundertste Geburtstag von Frederick Ashton (mit diversen Statements führender Tänzer über ihr Verhältnis zu Ashton und seinen Balletten nebst einer hochinteressanten Gegenüberstellung von Ashton und Balanchine von Clive Barnes in seiner monatlichen Kolumne). In der Reihe der kritischen Reports findet sich auch ein Bericht über die Vorstellung von Peter Boal & Company von Mitte März im New Yorker The Joyce Theater, für deren Programm (neben weiteren Balletten von Twyla Tharp, William Forsythe und John Alleyne) Marco Goecke das Solo „Mopey“ für den Tänzer Sean Suozzi kreierte.

Im Gegensatz zu Alleyne kommt Goecke (von dem das Stuttgarter Ballett bekanntlich eine Uraufführung für die kommende Saison ankündigt) in der Bewertung von Roslyn Sulcas (das ist die amerikanische Forsythe-Autorität) ausgesprochen gut davon, die zum Schluss resümiert: „Even if it doesn‘t completely hang together, ‚Mopey‘ reveals interesting movement ideas and an individual choreographic sensibility.“ Voilà! Für europäische Leser ist indessen eine andere Doppelseite von besonderem Interesse – nicht zuletzt da sie eine so ganz andere Perspektive als die unsere zeigt. Da geht es um die Auswertung einer Leser-Umfrage, auf die angeblich hunderte von Antworten eingegangen sind.

Und dort werden nun also die Gewinner verkündet – als „All-Time Favorite Dancer“: Mikhail Baryshnikov – als „Traditional Story Ballet“: „Schwanensee“, „Giselle“ und „Romeo und Julia“ – als „20th- or 21st-Century Ballet“: „Serenade“ von George Balanchine, „Les Sylphides“ von Michel Fokine und „Fancy Free“ von Jerome Robbins – als „Modern Dance Company“: Alvin Ailey American Dance Theatre, Mark Morris Dance Group und Paul Taylor Dance Company – als „Female Ballet Dancer“: Darci Kistler, Sylvie Guillem und Kyra Nichols – als „Male Ballet Dancer“: Angel Corella, José Manuel Carreño und Ethan Stiefel – als „United States Ballet Company“: American Ballet Theatre, New York City Ballet und San Francisco Ballet – als „Female Modern Dancer“: Carmen de Lavallade, Terese Capucilli und Natalie Rogers – als „Modern or Contemporary Work“: „Revelations“ von Alvin Ailey, „L‘Allegro, il penseroso ed il moderato“ von Mark Morris und „Appalachian Spring“ von Martha Graham – als „Male Modern Dancer“: Mikhail Baryshnikov, Desmond Richardson und David Leventhal – als „Ballet & Modern Choreographer“: Twyla Tharp, Mark Morris und Paul Taylor – als „Tap Dancer“: Savion Glover, Bill Evans und Brenda Bufalino – als „Ballet Company Outside the U.S.“: Kirov (Maryinsky Ballet), The Royal Ballet und Paris Opéra Ballet – als „Jazz & Hip-Hop“: Ann Reinking, Chita Rivera und Bebe Neuwirth – als „World Dance Company“: Riverdance, Moiseyev Dance Company, DanceBrazil – und als „Movie“: „The Turning Point“, „Billy Elliot“ und „West Side Story“. Wie sieht die Tanzwelt von Amerika doch so ganz anders aus!

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