Solo-Tanztheater-Festival Stuttgart

Stuttgart, 15/03/2001

Dem 5. Internationalen Solo-Tanztheater-Festival, das der Treffpunkt Rotebühlplatz nun bereits zum dritten Male ausgerichtet hat, es hat früher in Augsburg stattgefunden, kommt schon beinahe jene Bedeutung zu, die das inzwischen beinahe vergessene Stuttgarter Tanzfestival „Sprachen des Körpers“ in seinen besten Zeiten hatte. Es hat sich nämlich nicht nur zu einer Bühne entwickelt, auf der ein verblüffend vielgesichtiges Bild des Solotanzes betrachtet werden kann. Sondern, beinahe wichtiger noch, dieser Wettbewerb ist zu einer, lange vermissten, höchst lebendigen Begegnungsstätte für die Freunde modernen Tanzes geworden.

An vier Abenden, vom 15. bis zum 18. März, haben sie sich diskutierend im Foyer des Robert-Bosch-Saales getroffen und die Unglücklichen unter ihnen darauf gehofft, auf der Warteliste für Eintrittskarten ein paar Plätze nach oben zu rücken, notfalls mussten sie vor dem Saal mit der Übertragung auf einen Monitor vorlieb nehmen. Technikfreaks konnten den Wettbewerb sogar live im Internet verfolgen.

Nach den Vorstellungen zog der Zuschauer-Tross in die Treffpunkt-Kneipe, wo mit den Tänzern und Choreografen zusammen gehockt, geredet, gelacht und gemeinsam den Entscheidungen der Jury entgegen gebangt wurde. Es war für alle eine schöne Zeit. Vielleicht sogar auch für jene, die es nicht ins Finale am Sonntag geschafft haben.

Der Wettbewerb ist größer als in den Jahren zuvor geworden, und er hat erheblich an künstlerischer Qualität gewonnen. Das ist mit ein Grund dafür gewesen, dass sich nun auch das Land Baden-Württemberg dazu entschlossen hat, als Sponsor zu fungieren. Die Festival-Leiter Kirsten Kurz und Marcelo Santos hatten aus mehr als 200 Bewerbungen aus vielen Ländern und Kontinenten 18 Beiträge für den Wettbewerb ausgewählt, unter ihnen zahlreiche Uraufführungen. Die fachkundige Jury setzte sich zusammen aus Sigrid Gareis vom Tanzquartier Wien, der Tänzerin und Pädagogin Katarina Bader, dem Augsburger Ballettdirektor Jochen Heckmann, André Thériault von der Tanzwerkstatt Berlin und dem hier unvergessenen, einstigen Ballerino des Stuttgarter Balletts, Richard Cragun. Wichtigste Ergebnisse: Keines der gezeigten Stücke war eines Wettbewerbs dieses Kalibers unwürdig, und jedes der Werke erfreute mit einem sehr spezifischen Charakter.

Die vom Land und der Firma Wolford gestifteten Preise in Höhe von je 7000, 5000 und 3000 Mark konnten jeweils für die drei besten Choreografien und tänzerischen Leistungen vergeben werden. Weil zwei der sieben Finalisten ihre eigene Choreografie tanzten, hätten sie theoretisch auch zwei Preise erringen können. Die Entscheidungen der Jury spiegelten denn auch das Bemühen wider, diesem Dilemma zu entgehen: Außer Roberto Scafatis „(a)lone # some“, das leer ausging, ist jeder Darbietung ein Preis zuerkannt worden. Die Tänzerin Anna Hagermark von der Deutschen Oper Berlin wurde für ihre makellose Leistung im aparten „Plus outre“ ihrer Kollegin Ilka von Häfen mit dem dritten Preis belohnt, die außerordentlich persönlichkeitsstarke Juschka Weigel erhielt den zweiten Preis für ihre Interpretation von Josef Kiss‘ fragilem „How‘s this for a start to your day“, und Pilar Murube, durch ihre früheren Auftritte in Werken von Marco Santi und Daniela Kurz in Stuttgart in bester Erinnerung, konnte sich über den ersten Platz in Marco Barberas nicht sonderlich originellem „Little red hood and his wolf“ freuen. Die Jury rühmte besonders ihre „tänzerische Stärke und intensive Verbindung zum Publikum“.

Der dritte Preis für Choreografie ging an Robert Schankula für „%“, eine berührende Szene über das Leben in einer fremden Kultur mit dem großartigen Percy Kruythoff als Tänzer, den zweiten erhielt Gerhard Maaß für das von ihm selbst getanzte „König. Deutschland“, in dem er so witzig wie einfallsreich eine Politiker-Karriere illustriert. Dass die bis auf einen schmalen Haarkamm kahlköpfige Finnin Virpi Pahkinen mit ihrem „A prayer of a scorpio“ auf einem vorderen Platz landen würde, war jedermann klar. Die Jury entschied sich dafür, ihr den ersten Choreografie-Preis zu verleihen und begründete das mit der „skulpturalen Rondo-Form und Körperornamentik“, dieses wie für eine mönchische Kontorsionistin geschaffenen Werkes.

Josef Kiss und Juschka Weigel konnten sich ein zweites Mal freuen: Sie erhielten den vom Hotel Rieker gestifteten Publikumspreis in Höhe von 1000 Mark. Das Festival hat künstlerisch und organisatorisch zu einer beinahe idealen Form gefunden. Und es besteht wohl kein Zweifel daran, dass der Treffpunkt Rotebühlplatz, nicht zuletzt angesichts des enormen Publikumsandrangs, auch künftig an ihm festhalten, es ausbauen und damit seine Bedeutung noch steigern wird.

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