Ballet Victor Ullate

Ludwigsburg, 18/12/1999

Das Ballet Victor Ullate, das als offizielle Compagnie der Stadt Madrid fungiert, hat in Deutschland einen guten Ruf. Nicht zuletzt, weil viele der spanischen Tänzer des Stuttgarter Balletts aus der Truppe oder ihrer Schule stammen. Beim zweitägigen Gastspiel der Compagnie im Ludwigsburger Forum, ausschließlich mit Werken ihres Chefs, war deshalb die komplette spanische Belegschaft der Stuttgarter versammelt.

In den drei aufgeführten Arbeiten erweist sich Ullate als ein erstaunliches choreografisches Chamäleon. Jedes Stück scheint von einem anderen Urheber geschaffen, an keinem ist eine wirklich originelle, künstlerische Handschrift zu erkennen. Dass Ullate seine größten Meriten als einer der Stars in Maurice Béjarts einstigem Ballet du XXe siècle erworben hat, lässt sich leicht am zweiten Stück des Abends ausmachen, dem Pas de deux „Itu… Bailas?“, ausgerechnet zum Andante aus Mozarts Klavierkonzert Nr. 21, was schon beim Erklingen der ersten Töne schlimmste Befürchtungen aufkommen lässt. Sie werden vollauf bestätigt. Was Pilar Nevado und José Carlos Blanco tanzen, trippelnd, schäkernd, Schnute ziehend und überhaupt allerliebst ausschauend, das wirkt, als hätte es Béjart vor dreißig Jahren in einem seiner schwächsten Momente zusammengeschustert.

Bim und die Ballerina – es ist kaum zu glauben, dass diese choreografische Zuckerwatte erst im vergangenen Mai uraufgeführt worden ist. Im einleitenden „Ven Que Te Tiente“ hat Ullate alte spanische Volkslieder als akustischen Teppich für eine Folge heiterer und ernsterer Ensembles, Pas de deux und Pas de trois benutzt. Während sich Carmen Linares vom Band die Seele aus dem Leibe singt, tänzelt das einstündige Stück in Schläppchen nett und zunehmend langweilig werdend dahin, die folkloristisch grundierten Bewegungen, das Röckewedeln der Damen, ihr Herumschwingen und das Machogehabe der Herren werden bald öde. Am Ende stellt sich Ullate selbst ein Bein: Aus den Lautsprechern rattern die Hacken eines Zapateado, und sofort ist klar, dass hier einer versucht hat, aus choreografisch überhöhtem Flamenco Honig zu saugen, was indes nur funktioniert, wenn die Kopie mindestens so gut ist, wie das Original. Das war sie mitnichten.

Eine weitere Kopie liefert Ullate im abschließenden „Jaleos“. Zu Perkussionsklängen von Luis Delgado scheucht er dreiundzwanzig Damen und Herren im schlecht nachgeahmten, neoklassischen Stil von William Forsythe mit einer Prise Nacho Duato über die Bühne, dass es nur so raucht. Ein Springen, Drehen, Hechten und Beineschmeißen, als sei der Satan in Tänzerkörper gefahren. Choreografischer Leerlauf ohne Sinn und Zweck, aber exekutiert, dass einem die Augen übergehen. Und hier muss Victor Ullate ein ganz dickes Kompliment gemacht werden. Er, der auch Ballettmeister seiner Compagnie ist, hat sie auf ein Qualitätsniveau getrimmt, das mit dem jeder anderen Spitzentruppe vergleichbar ist. Hier agieren technisch brillante Turbotänzer, deren Energie aus einem Hochleistungsakku gespeist wird, den ständig neu laden zu können, Ullates Fähigkeiten als Trainingsleiter ein exzellentes Zeugnis ausstellt. Nur sollte er diesem Potenzial ein angemessenes, künstlerisches Betätigungsfeld bieten.

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