„What the body does not remember“ von Wim Vandekeybus

„What the body does not remember“ von Wim Vandekeybus

Körperbenutzung

Die Wiederkehr von Vandekeybus' Erstlingswerk

Rico Stehfest über Wim Vandekeybus „What the body does not remember“ und warum es sich lohnt eine 25 Jahre alte Arbeit anschauen.

Dresden, 30/05/2013

1987 haben sich Wim Vandekeybus und seine Kompanie Ultima Vez mit ihrer ersten Arbeit „What the Body Does Not Remember“ aus dem Stand direkt in die vordersten Reihen der damaligen Flämischen Tanzwelle katapultiert. Das Stück tourt nun erneut mit neuem Cast weltweit und hat gestern im Prager Divadlo Archa Theater Station gemacht. Hellerau – Europäisches Zentrum der Künste Dresden bot anlässlich dieses Gastspiels gemeinsam mit dem Haus in Prag die Möglichkeit auch Dresdnern, diese Arbeit zu erleben. Beide Häuser sind Partner des europäischen Theaternetzwerkes „Theatron“ zur Publikumsforschung und -entwicklung. Unter dem Motto „moving audiences“ bieten sie für ausgewählte Veranstaltungen Sonderbusse an, um einen Publikumsaustausch anzuregen. Und diese Gelegenheit wird rege genutzt.

Aber warum sollte man sich eine 25 Jahre alte Arbeit anschauen? Die Antwort ist einfach: Weil man die Gelegenheit dazu hat. Wim Vandekeybus hatte als 24jähriger Heißsporn mit einer ungehobelten Alltagssprache, die durch ihren inneren Druck zu besonderem Ausdruck gelangt, eine Arbeitsweise an den Tag gelegt, die heute gänzlich anders gelesen wird, weil gelesen werden muss. Und trotzdem funktioniert das Stück nach wie vor. Obwohl es komplett ohne Dramaturgie auskommt. Oder genau deshalb. So abgetragen das Bild auch sein mag: Der Begriff des Rohdiamanten drängt sich tatsächlich auf. Dieses Stück glänzt nicht. Es ist wirklich ungeschliffen. Und das macht seine Qualität aus.

Was ziellos und unbestimmt beginnt, wenn zwei Tänzer in schmalen Lichtgassen am Boden liegen, erfährt augenblickliche Dynamik durch eine Tänzerin, die mittels ihrer Hände auf einem Holztisch auf brachiale Weise die beiden Tänzer sich wie Marionetten über den Boden wälzen lässt. Und genau das ist es. Das Rohe, das Raue. Es geht hier nicht so sehr um das Was. Es geht hier in jedem Fall um das Wie. Und dann natürlich die Sache mit den Ziegelsteinen. In Prag landetet tatsächlich einer am Kopf eines Tänzers. Das ist das Risiko in diesem Stück. Gasbeton. Halb so wild.

Die extensive Körpersprache entsteht nicht aus starker Differenziertheit im Vokabular, sondern durch das intensive Aufeinanderprallen der Tänzer. Thierry de Mey und Peter Vermeersch haben dazu eine Musik geschaffen, die mit pausenloser Getriebenheit die Tänzer aufeinander los lässt. Dabei werden grundsätzliche Kämpfe ausgefochten. Das Gegeneinander im hemmungslosen gegenseitigen Begehren. Nähe muss stetig wieder neu erkämpft werden. Und trotzdem findet sich Raum für Witz, Ironie und Pose. Das wirkt in seinen Grundzügen absolut zeitlos. Angesichts dessen ist kaum vorstellbar, mit welcher Wucht diese Arbeit zu ihrer Uraufführung eingeschlagen haben muss.

Bis auf die Reduktion von zehn auf neun Tänzer ist die Arbeit nicht verändert worden. Dadurch hat man die direkte Möglichkeit, einen Blick zurück in der künstlerischen Entwicklung dieses Ausnahmechoreographen zu werfen. Es erstaunt, wie viele einzelne Elemente seiner Formensprache, wie man sie heute kennt, man da bereits ausmachen kann.

„What the Body Does Not Remember“ gastiert mit drei Vorstellungen im Juni in Köln
 

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