Mauro Astolfi, "True Faith"

"True Faith" von Mauro Astolfi

Sehnsuchtsort

Zweiteiliger Tanzabend „MOND MORGEN“ von Mauro Astolfi und Tarek Assam am Stadttheater Gießen

Ewiger Sehnsuchtsort der Menschen, zugleich Projektionsfläche für Wünsche und Ziel der Weltraumforschung, oder mystisch beschrieben von Poeten und Liebenden: Der Mond ist hier zentrales Thema.

Gießen, 07/03/2022

Der Gießener Ballettdirektor Tarek Assam hat für die zweite große Produktion dieser Spielzeit wieder einen Gastchoreografen hinzugeholt: Mauro Astolfi ist Gründer und Leiter des Spellbound Contemporary Ballets in Rom und gefragter Choreograf bei Tanzensembles weltweit.

Beide bewegen sich im Kosmos des Contemporary Dance, doch ist ihre Herangehensweise höchst unterschiedlich. Auch die jeweilige Sichtweise auf das Thema Mond unterscheidet sich. Astolfi befasst sich mit den Auswirkungen der Mondstrahlung auf die Menschen, bleibt also auf der Erde. Assam, bekennender Sci-Fi-Fan, lässt sich faszinieren von der Raumfahrt und den technischen Entwicklungen, begibt sich daher ins All.

Die zwölfköpfige Tanzcompagnie Gießen hat also an einem Abend, in zwei 50-Minuten-Stücken, große Anforderungen zu bewältigen. Und meistert diese Aufgabe bravourös. Das bewährte Bühnengestaltungs-Duo aus Berlin, Fred Pommerehn für die Bühne und Gabriele Kortmann für die Kostüme, sorgt für die passende Atmosphäre.

Astolfis Stück „True Faith“ hat einen sehr reduzierten, fast intimen Bühnenraum mit einem Extra-Podest, das unten Klappen zum Hineinkriechen und Verstecken hat, das oben drei grüne Ohrensessel aufweist, die intensiv betanzt werden. Die acht beteiligten Tänzerinnen und Tänzer tragen farblich dezente Kostüme, die zwischen Freizeitkleidung und Monteuranzug liegen. Den einzigen Ausblick in die Ferne bietet ein Fenster, hinter dem einer verschwindet oder Figuren mit seltsam abgehackten Bewegungen auftauchen, die wie im Kasperletheater agieren. Alles ist ein bisschen lunatik, was eine vom (Voll)Mond verursachte Verrücktheit bezeichnet. Angst, Staunen und Sehnsucht bestimmen die bodennahen Bewegungen und das Umeinanderschlingen der Körper, oft unterlegt von einem klirrenden Sound. Die meist vergebliche Suche nach Liebe wird von Klavierstücken begleitet, die harmonisch und beruhigend wirken. Am Ende gibt es ein Happy End, das aus der Stummfilmzeit kommt.

Bei „The other Side” von Assam sind Bühnen- und Zuschauerraum zunächst in ein lichtdurchschienenes Sternenzelt gehüllt, bis sich der Vorhang hebt und den großen (Welt)Raum zeigt, der dynamisch erobert wird. Vorhänge mit verschieden großen Löchern, die von hinten angestrahlt werden, vermitteln den Eindruck von Strahlen und Tiefe, ein weicher Ball wird zum symbolischen Spielball der Akteure, Leuchtkugeln schweben von oben herab wie Planeten um die Erde. Ein Astronaut in der Schwerelosigkeit ist auch dabei. Hier ist die Soundcollage prägend, die Gespräche zwischen der Apollo 11-Besatzung und dem NASA Mission Control Center beinhalten. Außerdem kommen zwei schwungvoll-fröhliche Songs der 60er Jahre zum Einsatz, also aus der Zeit der bemannten US-Raumfahrt: „Mr. Sandmann“ (The Chordettes) und „Dancing in the Moonlight“ (King Harvest). An zwei Stellen werden Gedichte zum Mond in den Tanz integriert, ohne dass man den Text allerdings verstehen könnte. Alle zwölf Tänzerinnen und Tänzer tragen Kostüme aus einem silbrig fließenden Stoff, die zum Teil an elegante Abendgarderobe erinnern. Deren Detailreichtum ist tatsächlich erst beim Schlussapplaus richtig zu erkennen, wenn die Gruppe an den Bühnenrand tritt, um ihren hochverdienten Applaus entgegen zu nehmen.

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