"Allongé" von Julian Weber: György Jellinek

"Allongé" von Julian Weber: György Jellinek

Künstlerische Bewegungsästhetik und pinke Langeweile

3. Tag der Tanzplattform 2022 in Berlin

Zwei sehr unterschiedliche Performances und ein Ausfall: Der dritte Tag der Tanzplattform 2022 schließt nicht ganz an das Hoch der vergangenen beiden an.

Berlin, 19/03/2022
Es ist alles ein wenig schwer einzuordnen, an diesem Nachmittag in den Uferstudios. „Allongé“ von Julian Weber ist eine Untersuchung von Kunst, Körper, Raum und Bewegung. Von all dem gibt es auch viel zu sehen. Elegantester Poledance, scharfkantige Skulpturen, die auch mal an Waffen erinnern können, eine Priesterin am Mischpult und raumausfüllendes, elektronisches Rauschen und Dröhnen. Schon beim Eintreten in den Saal braucht man ein wenig, um alles aufzunehmen. Es dröhnt bereits, die Performer*innen sind schon auf ihren Plätzen, während das Publikum die ihren auf beiden Seiten des Raumes einnimmt. Da ist ein großes weißes Quadrat auf dem Boden, das als Bühne dient. Auf ihm stehen verteilt erwähnte Skulpturen, silbern und zackig, in einer Ecke liegt ein Gesicht, zwischendrin zwei Poledance-Stangen. Es erinnert an ein Museum, all diese Dinge scheinen willkürlich verteilt auf dieser Fläche, in diesem Raum, sind aber dennoch bewusst kuratiert.

Waren die vergangen zwei Tage der Tanzplattform von dekonstruierter Sprache geprägt, gab es am dritten kaum welche. Bei „Allongé“ drehte sich in den Uferstudios sich alles um Bewegungsästhetik und bildhauerische Kunst, angelehnt an Arbeiten Constantin Brânçusis. Beides lässt sich in der Arbeit durchaus erkennen, nur das Zusammenfügen gelingt nicht ganz. Die Bewegungen der beiden Tänzer*innen Shade Théret und György Jellinek sind ohne Frage beeindruckend. Jellineks erinnern von Beginn an einen Poldedancer, Thérets lassen sich dem Ballett und Zeitgenössischem zuordnen. Es macht Spaß ihnen zuzuschauen, wie sie sich, jeder ganz für sich, über das Quadrat bewegen. Jedoch ist alles zu unruhig. Möchte man Jellinek mit den Augen folgen, ist man schnell wieder von Théret abgelenkt, die ihre eigene Routine tanzt und die Beine in die Luft wirft. Die Sequenzen aus dem klassischen Ballett, sind zwar schön als Kontrast zu den harten Kanten der Skulpturen und den seltsamen Kostümen, erinnern manchmal aber zu sehr an Funkenmariechen. Niemals tanzen sie zusammen, nur einmal am Ende gibt es einen schönen Moment, in dem die beiden in Synchronität tanzen, was wunderbar erholsam nach all dem Durcheinander ist.

Die anderen drei Performer*innen befinden sich meistens außerhalb des Quadrates, bedienen das Mischpult oder räumen Sachen hin und her. Manchmal treten sie auch auf die Fläche und bauen die Skulpturen auseinander, wieder zusammen, stellen sie um, wuseln irgendwie zwischendrin, bevor sie wieder aus dem Quadrat heraustreten. Auch das bringt ablenkende Unruhe. Man ist überfordert, weiß nicht, wem oder was man hier mit der Aufmerksamkeit folgen soll. Es passiert einfach ein bisschen zu viel, was sich nicht zu einem Gesamtbild zusammenfügt. Am Ende landet man immer bei György Jellinek, der mit seiner körperlichen Präsenz und Eleganz die Choreografie trägt. Sein Poledance ist einfach beeindruckend, und auch sonst bewegt er sich unglaublich grazil und lautlos. Alles andere wirkt daneben beinahe plump. Er erinnert selbst an eine Skulptur und wird oft auch so in Szene gesetzt, vom Licht, mit seinem Gang, aber auch, wenn ihm Julian Weber immer wieder mit einem Handtuch den Schweiß abwischt.

Es wirkt unentschlossen, in welche Richtung diese Inszenierung gehen möchte, dazu ist sie zu unruhig und wirkt an einigen Stellen nicht zu Ende gedacht und nur ausprobiert. Vor dem Hintergrund einer künstlerischen Untersuchung passt das vielleicht schon wieder. Hier sind viele Ideen und Bilder zusammengekommen, vielleicht das ein oder andere zu viel. Aber auch, wenn man als Zuschauer*in überfordert ist, ist man gebannt. Gebannt vom Tanz, von dem es viel zu sehen gab an diesem Nachmittag.

Was es bei „Allongé“ an Bewegung gab, fehlte dafür bei „Being Pink Ain´t Easy“ von Joana Tischkau in den Sophiensaelen. Tanz war hier nur minimal vorhanden. Stattdessen gab es viele, sehr langsam ausgeführte Posen, eine nach der anderen, alle Symbole(Hyper-)Maskulinität und der Rap- und Hip-Hop-Szene zuzuordnen. Sonst passiert über weite Strecken nichts. Alles ist pink, alles erinnert an US-Gangster-Rap, nur eben in Rosa, und die Idee dahinter wird auch sehr schnell klar. Ein kleiner Lichtblick ist der Moment, in dem Performer Rudi Natterer sich ein Sandwich mit einem Glätteisen grillt, aber auch das zieht sich wieder unglaublich in die Länge und der Witz ist schnell vorbei. Mehr dazu auch in unserem Beitrag vom 20. Januar 2020.

Also, einmal sehr viele Eindrücke, einmal sehr wenige. Einmal viel Tanz und viel Sound, einmal nur viel Pink am dritten Tag der Tanzplattform. Leider musste „Still Not Still“ von Ligia Lewis am Abend krankheitsbedingt ausfallen. Es wäre vielleicht auch zu normal gewesen, wenn alle Inszenierungen mit vollen Sälen wie geplant stattfinden, ohne dass man wieder in die pandemische Realität zurückgeholt wird.

Kommentare

Noch keine Beiträge