„Isadora Duncan“, Elizabeth Schwartz

„Isadora Duncan“ von Jérôme Bel. Tanz: Elizabeth Schwartz

Würdigung einer Pionierin

„Isadora Duncan“ nach einem Konzept von Jérôme Bel auf Kampnagel

Der 71-jährigen Elizabeth Schwartz ist es zu verdanken, dass diese Huldigung an eine der Wegbereiterinnen des modernen Tanzes zu einer Delikatesse der Erinnerung wird und in keinem Moment ins Kitschige abdriftet.

Hamburg, 25/10/2021

Der einstündige Abend beginnt mit einigen Erklärungen seitens der Assistentin Jérôme Bels, Sheila Atala. Sie teilt mit, man habe „aus ökologischen Gründen“, um Papier zu sparen, auf einen Programmzettel verzichtet, sie selbst werde mitteilen, was sonst dort geschrieben steht. Und so las sie dann tatsächlich die üblichen Angaben für Ton, Beleuchtung und so weiter ab und teilte auch die Kooperations-Partner mit. Sie informierte auch darüber, dass man beschlossen habe, künftig auf Flugreisen komplett zu verzichten, weshalb das Stück für New York über Video-Konferenzen einstudiert worden sei. Nun ja, das kann man so machen, dürfte aber doch eher eine Notlösung sein, die nicht generell Schule machen sollte. Den Ozean kann man ja schließlich auch mit dem Schiff überqueren...

Dass es keinen Programmzettel gab, war durchaus ein Manko. Denn obwohl sie immer sehr spartanisch daherkommen und oft mehr zusammengeschustert als wohl überlegt sind, wäre es gerade hier interessant gewesen etwas mehr zu erfahren über Elizabeth Schwartz, diese inzwischen 71-jährige, wunderbar zurückhaltende Tänzerin, die sich dem Bewahren und der Weitergabe der Bewegungskunst Isadora Duncans verschrieben hat. Es wäre nicht minder interessant gewesen zu lesen, was sich Jérôme Bel so gedacht hat bei diesem Portrait einer der wichtigsten Wegbereiterinnen des modernen Tanzes. Choreographiert hat er da ja nichts, vielmehr steht er für das Konzept dieser Reihe von Reminiszenzen an wichtige Persönlichkeiten des Tanzes, die er schon 2004 begonnen hat.

Nun also „Isadora Duncan“, ein Stück, das bereits 2019 beim Festival „Tanz im August“ in Berlin aufgeführt wurde. Es lebt ganz und gar von der Präsenz und der Hingabe von Elizabeth Schwartz an diesen eigenwilligen Tanzstil der Duncan (1877 – 1927), die als eine der Pionierinnen des modernen Tanzes gilt. Sie trägt die für Duncan typischen griechischen Tuniken aus fließender Seide, die damals einen so augenfälligen und freiheitlichen Kontrast bildeten zu den Korsetts, in die die Damen seinerzeit noch geschnürt wurden – modisch wie politisch und kulturell.

Sheila Atala begleitet die getanzten Beispiele mit erklärenden Worten und zeichnet damit das Leben Isadora Duncans nach, womit sie auch in einem historischen Kontext stehen. Ein schöner Kunstgriff ist, dass Schwartz die kurzen Stücke immer dreimal präsentiert: Einmal unkommentiert als Original, das zweite Mal ohne Musik und mit gesprochenen Kommentaren zu den Bewegungen von Sheila Atala, sowie ein drittes Mal wieder mit Musik und noch einmal dazu eingesprochenen Erklärungen. Die ohnehin ausdrucksstarken Bewegungsfolgen Duncans werden dadurch noch offenkundiger. Von den ersten, weitgehend heiter-beschwingten Beispielen aus den Jahren 1901, 1908 und 1911 zu Musik von Franz Schubert und Frédéric Chopin – Isadora Duncan hat als Erste Musik verwendet, die nicht für Ballett komponiert worden war – spannt sich der Bogen bis zu „Mother“ von 1921 und dem noch später in Russland entstandenen „Revolution“ zu Klaviermusik von Alexander Skrjabin. Schade nur, dass man sich nicht dazu hat durchringen können, diese Stücke live durch eine Pianistin oder einen Pianisten begleiten zu lassen – das hätte die Präsentation noch eindrücklicher gemacht.

Und anstelle einer kleinen Unterrichtseinheit in Isadora Duncans Tanzstil für fünf Freiwillige aus dem Publikum, was immer etwas peinlich anmutet bei solchen Aufführungen, hätte man lieber noch ein weiteres Beispiel aus Isadora Duncans Schaffen betrachtet – denn an Elizabeth Schwartz und ihrer ungemein innig und ebenso delikat wie bescheiden vorgetragenen Tanzkunst konnte man sich an diesem Abend kaum sattsehen. Ihr ist zu verdanken, dass er eine würdige Erinnerung an diese große Tänzerin wurde und nicht ins Kitschig-Schwülstige abrutschte, wie es gerade bei Isadora Duncan so leicht passieren kann.

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