Ein augenfälliger Verlust

Jessica Nupen zeigte „The Nose“ als Hybrid-Version auf Kampnagel

Die ursprünglich für März 2020 geplante Premiere musste coronabedingt ausfallen. Der danach gedrehte Film kann die Live-Performance nicht ersetzen, weshalb die Hybrid-Version vor allem durch die Musik beeindruckt.

Hamburg, 02/11/2021
Es sei ein Gefühl gewesen, „als würde etwas sterben“. So hatte die Choreografin Jessica Nupen in einem Gespräch mit tanznetz.de Ende Mai 2020 beschrieben, wie ihr zumute war, als die für März geplante Uraufführung von „The Nose“ wenige Tage vorher wegen Corona abgesagt werden musste. Alle Bühnen mussten schließen zu dieser Zeit – auch Kampnagel. Jetzt kam das Stück doch noch auf die Bühne, allerdings in einer hybriden Form: Niemand tanzt oder singt live, vielmehr wird ein innerhalb von nur einer Woche in Johannesburg produzierter Film auf vier sieben Meter hohe, tonnenschwere Paneele projiziert, die von kräftigen Bühnenarbeitern immer wieder gegeneinander verschoben und gedreht werden. Ein Orchester aus acht großartigen Musiker*innen spielt live dazu, umsichtig geleitet durch den musikalischen Direktor Gareth Lubbe, der für diese Version die Musik noch einmal neu arrangiert hat. Sie steht an diesem Abend mehr im Mittelpunkt als das Geschehen auf der Bühne.

Und doch bleibt diese Inszenierung blass. Aber gerade dadurch führt sie uns vor Augen, was uns entgangen ist durch diese Theaterschließungen, was wir vermisst haben und was wir nie wieder entbehren wollen: die Live-Performance, die gerade im Tanz absolut unverzichtbar ist.
Nach der Absage der Premiere hat Jessica Nupen aus der Not eine Tugend gemacht und das Stück dann eben in ihrer Heimat Südafrika an verschiedenen Orten abgefilmt – in Johannesburg, in alten Fabrikgemäuern, Büros, Clubs, auf der Straße und schließlich sogar in der Wüste. Diese Filmsequenzen werden nun zur orchestralen Livemusik (die Gesangszenen kommen ebenso wie die gesprochenen Abschnitte vom Band) auf die Paneele projiziert – teilweise ineinander geschachtelt oder nebeneinander aufgespielt. Das führt dann doch zu einiger Verwirrung und macht die ohnehin schon absurde Geschichte von der verlorenen Nase (nach einer Vorlage von Nikolai Gogol (1809 – 1852) noch etwas absurder.

Vieles geht unter, weil die Oberfläche der Paneele auf der Vorderseite an rauen Beton anmutet und die Filmsequenzen dadurch noch unschärfer werden. Nur wenn die Paneele gedreht werden, zeigen sie ihre glänzend-spiegelnde Rückseite, und darauf wird der Film dann scharf. So zum Beispiel bei einem Einspieler, in dem einer der Darsteller erzählt, wie ihnen Corona ein Bein gestellt und sie daran gehindert hat, das Stück so zu zeigen, wie es eigentlich geplant war: live und in Farbe, mit südafrikanischen Tänzer*innen und Sänger*innen.

Bleibt zu hoffen, dass diese Version vielleicht doch irgendwann mal so zu erleben sein wird. Denn die Idee, diese surreale Geschichte nach Südafrika zu verlegen und darüber mit den heute so drängenden Fragen von Rassismus und Black Lives Matter, von Unterdrückung und Ausgrenzung, aber auch der Kraft der Gemeinschaft zu verweben, hätte mehr Beachtung verdient. Und die kommt eben nur in einer Live-Performance zustande.

Kommentare

Noch keine Beiträge