„Choreographing Shitstorm“ von Schröder&Statkus

„Choreographing Shitstorm“ von Schröder&Statkus

Copyriot#PinaBausch.… aber/oder doch nicht ‚lutzig’?

„Choreographing Shitstorm“ in der Fabrique im Gängeviertel Hamburg

Was passiert, wenn ein mediales, manchmal reales Leben zerstörendes Ereignis wie ein ‚Shitstorm’ in einem Stück inszeniert wird? Es schreit vor allem nach Partizipation der Zuschauenden.

Hamburg, 13/08/2016

Die Musik beginnt und die beiden Performerinnen starten ihren ‚Catwalk’ hinter den Zuschauerreihen und steuern auf die Bühne zu. So weit, so gut – einen solchen ‚Posengang’ kennt man ja durchaus schon aus der letzten Performance des Duos Schröder&Statkus: dem großartigen „Moments of Fear“, das gekonnt alle möglichen Ängste des Otto-normal-Verbrauchers aufgegriffen und überzeugend in ein Bühnenstück transformiert hat. Man einte sich unter dem Zeichen der Angst. Dort mit Posen des Schreckens versehen, diesmal mit einem T-Shirt Strip pointiert. Das Kollektiv hat sich in Hamburg und Berlin bereits eine kleine Fangemeinde aufgebaut. An diesem Abend steht aber ausnahmsweise die Tänzerin und Performerin Verena Brakonier mit Helen Schröder auf der Bühne (Mitarbeit: Ekaterina Statkus und Jonas Regen) und mischt die Strukturen auf.

Was passiert, wenn ein mediales, manchmal reales Leben zerstörendes, moralisch und ethisch fragliches und rasantes Ereignis wie ein ‚Shitstorm’ in einem Stück inszeniert wird? Es schreit vor allem nach Partizipation der Zuschauenden. Auch diesen Spielzug kennt man aus früheren Stücken des Duos. Daumen hoch oder Daumen runter?

Schnelles reagieren auf ‚Posts’ gehört zum twitternden Alltag dazu. Ist man nicht schnell genug, wird man als Publikum mit einem Strom aus Papierknäuel beschossen – den darf man später jedoch zurückhauen und mit schwarzen Plastikpäckchen, euphorisch angefeuert von Verena Brakonier, nach Helen Schröder schießen. Die Getroffene muss dann zurück an den Start und das Spiel beginnt von vorne.

Man wird ermuntert und trainiert um die Eigenschaften herauszubilden, die man für einen guten Shitstorm braucht: 1. Fast and Furious, Schnelligkeit ist wichtig. 2. Empörung, eine Grenzüberschreitung muss schon sein. 3. Den Wutbürger schüren und sich mal so richtig auslassen und seine Meinung sagen. 4. Das Ganze in die reale Welt übertragen – und spätestens an dieser Stelle muss man erkennen, dass die digitale Welt eben doch ihre eigene Dynamik hat.

Der bekannte Solopart von Lutz Förster in Gebärdensprache aus dem Stück „Nelken“ von Pina Bausch zu „The man I Love“ wird auf der Bühne nachgetanzt und direkt mit einem provokanten ‚Post’ auf die Website des Tanztheater Wuppertal gepostet. Dieser mutige Live-Act der Performerin, greift er doch ein viel diskutiertes und wichtiges Thema des Urheberrechts auf, zieht vor allem reale rechtliche Konsequenzen nach sich und öffnet durch die direkte Übertragung und Überlappung der medialen Ebenen einen interessanten doppelten Raum auf der Bühne.

Der reale Shitstorm auf facebook bleibt aber aus und man bekommt den Eindruck, dass die Kunst der Schnelllebigkeit popkultureller Strömungen immer nur hinterherhinken kann. Die Auseinandersetzung – in einem alternativen Fabrikgebäude, einem unruhig bunten Raum, mit revueartiger Nummerndramaturgie – wirkt dabei wie ein hängen gebliebener, etwas verstaubter ‚Ab-takt’ einer ehemals großen Show. Oder ist dies gerade die einzige Möglichkeit, eine ambivalente Atmosphäre zu den dynamischen und undurchschaubaren Prozessen medialer Ausbrüche zu kreieren?

Ein weiterführendes Interview mit der Künstlerin Helen Schröder gibt es auf „Szene Hamburg“ zu lesen: http://szene-hamburg.com/wie-choreographiert-man-einen-shitstorm/
 

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