Probenraum des Bayerischen Staatsballetts - Cranko Saal
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Weltweit einmalige Institution

Pick bloggt über viele Wechsel bei der zentralen Künstlervermittlung/ZAV für den Bereich Tanz

Die weltweit einmalige Institution der Arbeitsvermittlung für Tänzer über die zentrale Arbeitsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit täte gut daran, mehr Kontinuität in die Besetzung der Vermittler zu investieren, denn diese müssen die Szene gut kennen, um sinnvoll vermitteln zu können.

Köln, 26/08/2015

Ich nehme mal an, dass ich nicht lang ausholen muss, dass ich über die letzten acht Jahre meines Berufslebens als Nachfolger von Rainer Köchermann bzw. Enno Markwardt die Leitung der Sparte Tanz bei der Zentralen Bühnenvermittlung (zuerst noch in Frankfurt/Main, dann in Bonn und endlich in Köln) übernommen hatte. Ich traf dort eine liebe Kollegin, nämlich Annette Vladar als Vermittlerin wieder, die ich noch aus Dortmund als Tänzerin kannte, wo ich einen Gastvertrag hatte bei dem Ballettchef Eckard Brakel und mir die Seele aus dem Leib tanzen durfte, ehe ich in Ulm selbst anfing mich als Choreograf auszuprobieren: Learning by doing. Das war angesagt. Und auch bei der Bundesagentur war das die Devise und ich darf sagen, der Wechsel vom Theater in eine Behörde (nach 25 Jahren als Ballettchef und davor ca. zehn Jahren als Tänzer) war nicht ohne. Aber nach ungefähr einem Jahr hatte ich auch da Erfolg und es hat daher Spaß gemacht. Gelungen ist es mir allerdings nicht, diese weltweit einmalige Institution aus der miefigen Ecke zu holen.

Diese nun doch längere Vorrede bringt mich aber jetzt zum Grund dieses Artikels, denn ich bemerkte, dass seit meinem Weggang nun schon zum mindestens fünften Mal in acht Jahren meine Stelle bzw. die von Annette Vladar, die inzwischen auch im Ruhestand ist, ausgeschrieben ist. Die Fluktuation scheint mir schlimmer als bei Theatern üblich und da ich die Struktur der Bundesagentur als Insider kenne, sehr ungewöhnlich! Mein Nachfolger wurde Charles Guillaume, den ich als Studenten kannte, als er sich nach dem Abitur in den Kopf gesetzt hatte, Tänzer zu werden und ich ihm davon abriet, da er kaum Chancen haben würde in dem Alter noch so etwas wie eine Karriere zu machen. Da er aber begabt war, hat er es geschafft, nach wenigen Jahren Tanzberuf ein Studium zu machen und als ich aufhörte, hat er meine Stelle eingenommen. Warum das nicht lange gehalten hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Ihm folgte Juliane Rößler, die nun wohl für sechs Jahre in Hamburg einen Schreibtisch mit Computer bekam, was wir zunächst noch nicht hatten, was aber nach sich zog, dass diese „Segnung“ des Fortschritts bei weitem mehr papierlosen Aufwand nach sich zog, was Annette Vladar schon beklagte, aber auch Juliane Rößler im Gespräch bestätigte. Es bleibt kaum Zeit zum sinnvollen Vermitteln vor lauter Bürokratie. Das kann ja wohl nicht der Sinn einer, wenn auch staatlichen, Arbeitsvermittlung sein!

Juliane habe ich während meiner Zeit bei der ZAV in Lübeck erstmals gesehen, wo sie eine freie Tanzkompanie leitete. Nach Schließung des Ballettensembles im Stadttheater zeigte sie dort ihre Choreografien in Kooperation mit dem Theater. Ein Meisterstück und neben Freiburg wohl das einzige Beispiel dieser Art. Allerdings kam in Freiburg die Initiative aus dem Theater und nicht umgekehrt aus der freien Szene. Ein solcher Versuch war ja auch Köln, wo der Intendant Krämer das Tanzensemble ausgliederte, d. h. selbständig machte mit allen Konsequenzen, so dass sein Leiter Jochen Ulrich (heute als Choreograf komplett unterbewertet) in die Insolvenz getrieben wurde. Ich glaube die Position von Annette blieb zunächst unbesetzt und wurde dann auf Betreiben von Dirk Elwert wieder nach Leipzig verlegt, wo die Zentrale für die Neuen Bundesländer gewesen war und aus dem Dornröschenschlaf geholt wurde. Auch eine sehr lobenswerte Initiative, die nicht etwa von der Leitung kam, sondern von Dirk.

Ihm begegnete ich zuerst, besonders eindrucksvoll in Monte Carlo, wo wir uns aus Anlass der dortigen Tanzmesse, die es auch schon nicht mehr gibt, aufhielten und ein verlorener Laptop uns vor dem Rückflug alle in Aufregung versetzte. Glücklicherweise tauchte er wieder auf, denn es handelte sich um den Geschäfts PC der Agentur „The Lab & and art media“, für die Dirk Elwert dort war und wohin er zurückkehrte nach Beendigung seines Vertrags bei der ZAV. Dirk hatte zunächst einen Vertrag für ein (Lehr-)Jahr, der verlängert wurde, aber danach nicht wieder, weil er sonst wohl unkündbar gewesen wäre. Die Gesetzeseinschränkungen sind mir natürlich nicht geläufig, aber wenn es so ist, würde es sinnvoll sein, solche Behinderungen und Verordnungen durch eine Gesetzesinitiative zu verändern.

Dasselbe Spiel leistet sich die Bundesagentur nun mit dem Nachfolger Günther Grollitsch, den ich durch seine hervorragende Arbeit an der Bremer Schwankhalle kenne und seiner Abschlussarbeit des Master-Studiums an der Uni Zürich, die es verdient, veröffentlicht zu werden! Er bekam einen 18-Monatsvertrag (welch großer Fortschritt), der aber nun vor Ende seines Vertrages neu ausgeschrieben werden musste … Wer will es ihm verübeln, dass er sich inzwischen anderweitig um Arbeit bemüht hat, denn auch er hätte sich wieder neu bewerben müssen.

Darf man fragen, was sich die Damen und Herren in der Leitung der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg denken, bei einem solchen Verschleiß an dauernd wieder einzuarbeitenden Menschen? Sie alle waren, das ist Voraussetzung, ehemalige Tänzer und der Sprung von der Bühne in die Behörde ist weiß Gott kein Sandkastenspiel. Und selbst, wenn das jemand Unwissender behaupten würde, wäre die Behörde erst recht und mit Recht beleidigt. Was soll also dieses Taktieren, nicht bei Zeiten Entscheidungen zu treffen, um den Verantwortlichen Zeit zu geben, Nägel mit Köpfen zu machen.

Ich würde ja nicht so viel Aufhebens darum machen, wenn ich nicht in den acht Jahren drei Reformen miterlebt hätte. Die erste des Arbeitsamts 2000 war noch nicht fertig, da kam die nächste, und als die gerade in trockenen Tüchern war, kam „Hartz IV“, was mich zur Überlegung verleitete, sofort auszuscheiden. Ich habe die zehn Monate bis zu meinem Ruhestand noch durchgehalten und dreimal dürfen Sie raten, nach drei Monaten kam auch prompt die erste Revision für die Künstlervermittlung.

Ich bedaure sagen zu müssen, dass die Entscheidungen, die in Nürnberg offenbar ohne Rücksicht oder Rücksprache mit den betreffenden Abteilungen getroffen werden, haarsträubend sind: Sie kosten unnötig Geld und Zeit und was viel schlimmer ist: Sie werden auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen. Hinzu kommt, dass die Bundesagentur sonst höchst interessiert daran ist, dass von ihr vermittelten Arbeitnehmern vernünftige Arbeitsverträge angeboten werden. Da sollte man doch wohl mit gutem Beispiel vorangehen!

Da lob ich mir die befristeten Verträge am Theater, da weiß man woran man ist und kann sich bei Zeiten nach einem anderen Betätigungsfeld umtun. Bei den oben besprochenen Fällen handelt es sich um ausgesuchte Mitarbeiter, die durchaus Klasse haben, sodass man sich keine Sorgen um sie machen muss, dass sie keinen Job finden. Sie aber im Regen stehen zu lassen, ohne auch nur einen Mucks von sich zu geben, zeugt nicht von guter Personenführung! Und warum holt man überhaupt hochqualifizierte Mitarbeiter ins Boot, wenn man sie dann, wenn sie gelernt haben, wie der Job und die Behörde funktionieren, gehen lässt, um wieder von vorn anzufangen?

Ich gebe zu, die Künstlervermittlung ist nicht das Wichtigste, was in diesem Staat zu tun ist, aber wenn die Damen und Herren in Nürnberg schon selbst kein Interesse am Theater und dem System, um das uns die ganze Welt beneidet, haben sollten, könnten sie sich ein Beispiel nehmen an den Staatsregierungen in Bayern und Baden-Württemberg oder z. B. der Hansestadt Hamburg. Die haben begriffen, dass die Kunst die Erdbeere auf dem Kuchen ist. Durch Sparen um jeden Preis am falschen Ort macht man das Leben der Bürger nicht anziehender. Es gehört ein Gleichgewicht zwischen Wirtschaft und Freude am Leben dazu, und außerdem sind Kunst und Kultur der – besonders wichtig – beste Werbeträger für ein Land. Nur die Bundesagentur hat das immer noch nicht begriffen.

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