Sind’s nun Maschinen oder Engel?

Ein Ballettabend im Pforzheimer Podium

oe
Pforzheim, 16/05/2010

Mein Fehler! Ich hatte mich auf den in Versalien gedruckten Titel „MAN MACHINE“ kapriziert – und übersehen, dass der nach dem Gedankenstrich ja noch weiterging: „Künstliche Paradiese“. Und so hatte ich einen Ballettabend über Maschinen erwartet – angefangen etwa bei „Coppélia“, dann mit einem Bezug auf Diaghilews futuristische Planungen mit Marinetti und Balla in Strawinskys „Fireworks“ und Rolf de Marés „Ballet mécanique“ mit Antheil und Fernand Léger und natürlich an Diaghilews Hommage an die junge Sowjetunion mit Prokofjew, Jakulow und Massine in „Le Pas d’acier“ – vor allem aber Nikolai Foreggers berühmte Maschinenballette während der zwanziger Jahre in seinem Moskauer Proletkult Studio.

Nichts davon in James Sutherlands siebzigminütigem, pausenlosen Tanzstück mit den Tänzern seines wackeren Balletts Pforzheim auf der Podiumsbühne, das zwar harmlos genug mit Bachs „Goldberg Variationen“ beginnt, um aber sogleich zu John Cage überzuleiten, und von da aus dann zu allen möglichen Heavy-Metal-, Blade-Runner- und Police-Stage-Klängen und schließlich mit der Klavierfassung der „Tannhäuser“-Ouvertüre sacht zu enden. Sutherland will’s philosophisch, und so hat er sein Stück in vier Abschnitte unterteilt, die er „Garden“, „Dreams“, „Paradise Lost“ und „Heaven“ nennt, mit jeweils vorangestellten und projizierten Texten von J. Offray de la Mettrie aus dem Jahr 1748, Andy Warhol, dem Terminator und schließlich Jean Pauls aus dem Jahr 1785 stammendem „Menschen sind Maschinen der Engel“.

Nun, ich konnte weder Maschinen noch Engel entdecken, sondern acht hart arbeitende, ausgesprochen individuell profilierte Tänzer, die von Sutherland in Soli, Duos und kleineren Gruppen arrangiert, auf flacher Sohle ihre expressiven Piecen präsentierten. Oft spiegelbildlich geführt, dann wieder in komplementären oder parallelen Bewegungsarrangements, wobei auch Zeitlupenmotionen ins Spiel kamen, mancherlei Bodenfiguren ausgeführt wurden und in den größeren Gruppenensembles auch skulpturale Laokoon-Verschlingungen. Das Ganze jedenfalls sehr sinnlich und abwechslungsreich und keine Minute langweilig. Lauter Miniaturen, durchaus professionell gearbeitet und von den Tänzern engagiert dargeboten, die ich mir gut auch in einem Programm des Stuttgarter Balletts vorstellen könnte.

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