koeglernews 12

oe
Stuttgart, 08/04/2010

Schon lange keine koeglernews mehr gehabt? Als ob nichts los gewesen wäre! Dabei waren doch zumindest ein paar Biggest News darunter. Zum Beispiel das Ende der Zürcher Spoerli-Ära mit der Spielzeit 2011/12 und der dortige Neubeginn unter Christian Spuck im Herbst 2012. Oder das Ende der Harangozó-Lethargie in Wien mit dem Ablauf der Spielzeit (und nach seiner letzten Premiere mit der „Coppélia“ vom Herrn Papa Gyula, Jahrgang 1953!) sowie die Pläne des neuen Chefs Manuel Legris der nun wieder Wiener Staatsballett genannten Kompanie zur neuen Spielzeit. Doch seien wir aktuell!

Am Ostersamstag starb Philippe Braunschweig, Gründer und Identifikationsfigur des Prix de Lausanne, in Vevey am Genfer See. Heute ist Donnerstag. Kann es wirklich sein, dass in den beiden großen Zürcher Tageszeitungen, der Neuen Zürcher und dem Tages-Anzeiger, bis heute kein Nachruf erschienen ist? Oder sollte ich den übersehen haben? Dafür immerhin ein großer Nachruf von Anna Kisselgoff in der gestrigen New York Times. Als ob es noch eines weiteren Beweises bedurft hätte, wie gering der News-Wert des Tanzes bei uns ist. Wie gut, dass es wenigstens das tanznetz.de gibt!

Mit üblicher Verspätung ist die Winter-2009/10-Ausgabe der amerikanischen Ballet Review erschienen – für mich die beste Ballettzeitschrift der Welt. Darin ein Bericht aus Toronto vom 8. Erik-Bruhn-Wettbewerb, „designed to showcase dancers aged eighteen to twenty-three.“ Unter den Teilnehmern auch Bridget Breiner aus Stuttgart (als Choreografin): „Breiner’s was the only one to suggest a broad and vibrant sense of humour, eschewing angst for funky, spunky style. Her ‚Grande Parade du Funk‘ for the Stuttgart performers should have won the choreographer’s prize (new this year), but it lost to Mrozewski’s ‚Dénouement‘ for National Ballet of Canada’s dancers, which was beautifully conceived and rapturously danced but didn’t have half the flair of Breiner’s ‚Grand Parade‘“. Als weitere Stuttgarter Teilnehmer: „Rachele Buriassi and William Moore burnt a patch off the stage with a steamy and sensuous Black Swan Pas de deux from John Cranko’s ‚Swan Lake‘. The Stuttgart pair was electric. They should have won. Combined with their sexy turn in Breiner’s ‚Grande Parade‘ they gave the best allround performances of the evening.“

Weiter Ex-Deutschland in Antwerpen: „Kathy Bennetts, artistic director of the Royal Ballet of Flanders, used to be William Forsythe’s ballet mistress in Frankfurt; he’s called her revival of ‚Impressing the Czar‘ ‚her dowry‘. Now he has added a new item: his ‚Artifact‘, in the full version that hasn’t been seen in years.“ „Hasn‘t been seen in years“? Und Zürichs „full version“ in rund zwei Dutzend Vorstellungen im Herbst 2008? Ein weiterer Bericht aus Toronto befasst sich mit Peter Quanz, „at 29 … a gifted dancemaker who works within the framework of classical traditions. His ballets have a Russian look, something akin to Balanchine’s neo-classical inventions of the 1960s. With Quanz, though, there is an attempt to take movement further. Steps are often dizzying in their difficulty, and there is a sense of forced speed that propels his ballets forward.“ Sehr positiv über sein „Kaleidoscope“ für ABT und „Jupiter“ fürs Pennsylvania Ballet.

Schade, dass Quanz dem Stuttgarter Ballet offenbar verlorengegangen ist und heute vornehmlich in Canada, den USA und St. Petersburg arbeitet. Scheint mir genau der Typ zu sein, von dem wir gut ein oder zwei Stücke in Stuttgart gebrauchen könnten! Im gleichen Heft übrigens ein großes Interview mit Yuri Burlaka, dem Chef des Bolschoi-Balletts, der sich lang und breit über Pyotr Pestov auslässt, bei dem er (zusammen mit Vladimir Malakhov) studiert hat, und den er in den höchsten Tönen preist. „Pestov’s wasn’t just dance training; it was a humanistic education – the school of life. None of the other ballet teachers that I have ever come across dedicated as much time to their students …“ Pestov gehört nun schon seit geraumer Zeit zum Dozenten-Stab der Stuttgarter John-Cranko-Schule (auch Alexei Ratmansky hat eine ähnlich positive Meinung über Pestov. Beide, Burlaka und Ratmasky, waren übrigens verantwortlich für den jüngsten „Cosaire“ beim Bolschoi-Ballett, der im großen Pas de deux auf Ali verzichtet). Ferner eine ziemlich negative ausführliche Kritik über die Berliner Preljocajs von „Sacre“ und der „L‘Annonciation“ bis zu „Schneewittchen“.

Ratmansky, bekanntlich inzwischen Resident Choreographer beim American Ballet Theatre (wo er einen neuen „Nussknacker“ vorbereitet), hat ein großes Interview im April-Heft des amerikanischen Dance Magazine, dort auch ein Leserbrief von Evan McKie aus Stuttgart zur amerikanischen Debatte über „Zuviel Balanchine“ – er „would love to have at least one juicy Balanchine per season“ in Stuttgart (ich auch).

Und schließlich die englische Dancing Times, ebenfalls die April-Ausgabe mit einem geradezu hymnischen Vorbericht über das bevorstehende Londoner Gastspiel der Mark Morris Dance Group mit Händels „L‘Allegro, il Pensiero et il Moderato“. Ich fürchte, Mark Morris ist für uns das, was für die Amerikaner Jiří Kylián und Hans van Manen ist. Im gleichen Heft auch ein ausführlicher Bericht über Ratmanskys „Don Quixote“ beim Holländischen Nationalballett, ferner der Chefredakteur höchstpersönlich über Aurélie Dupont und Jiří Bubeníček in Neumeiers Pariser „La Dame aux camélias“ („He must be a dream collaborator for any ballerina and would surely make a marvellous Crown Prince Rudolf on Kenneth MacMillan‘s ‚Mayerling‘“) und, sehr positiv, über „La Péri“ beim Staatsballett Berlin (Malakhov wird‘s freuen nach den sehr durchwachsenen Berliner Kritiken). „With Berlin only 90 minutes away by plane from London, I can only encourage readers to go and see for themselves how enjoyable this ballet is!“ Na denn, „Enjoyts“ mal schön!

Kommentare

Noch keine Beiträge