Im Funkenflug der Pointen

Rameaus „Les Paladins“ als deutsche Erstproduktion an der Deutschen Oper am Rhein

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Düsseldorf, 28/01/2010

Die Vorberichte von der Basler szenischen Erstaufführung und der DVD-Aufnahme unter William Christie mit den Arts Florissants klangen enthusiastisch. Jean-Philippe Rameaus „Les Paladins“, als Comédie lyrique eins seiner letzten Bühnenstücke aus dem Jahr 1760, bisher nur höchst selten auf der Bühne anzutreffen, gilt als eins der Meisterwerke jener Crossover-Gattung zwischen Oper und Ballett, Commedia dell‘arte und französischer Opéra bouffon – eine Vorwegnahme Offenbachs, zu der wir aus unserer heutigen Sicht noch Musical, Revue, Spectacle total und Maschinentheater addieren. Das erweckte die Hoffnung auf einen fulminanten Theaterabend im Gefolge der Zürcher „Les Indes galantes“ und der Pariser „Les Boréades“.

Der erwies sich allerdings von der Düsseldorfer Rheinopern-Produktion unter der musikalischen Leitung von Konrad Junghänel (der schon die Basler Aufführung betreut hatte), in der choreografischen Inszenierung von Arila Siegert, mit der Düsseldorfer Hofmusik, einem handverlesenen Solistenensemble, dem Chor der Deutschen Oper am Rhein, der Bühne von Frank Philipp Schlößmann, der Licht-Malerei von Helge Leiberg, der Beleuchtung von Volker Weinhart und einem Tänzer- und Statisterieensemble als ein Sammelsurium von musiktheatralischen Bits and Pieces, ein Funkenflug der Pointen – als theatralische Handlung von erbarmungswürdigem Schwachsinn und lediglich in den musikalischen Instrumentalstücken von mäßigem Interesse: eine Aufführung dieser Piecen als Suite hätte ihren Reiz gehabt – als theatralische Produktion glich der Abend trotz seinem permanenten aktionistischen Gewusel einer Totgeburt.

Das lag weniger an den Sängern, die im Laufe der Vorstellung an Kontur gewannen (besonders nach der Pause) – und auch nicht an der choreografischen Inszenierung von Arila Siegert, die Sänger, Tänzer und Statisten auf Teufel komm raus in Bewegung hielt, und den auf Zwischenvorhängen projizierten Strichzeichnungen, sondern an der nichtssagenden Story, von der man sich wünschte, es hätte sich um Palästinenser gehandelt, während es doch nur um die liebeturtelnden Ritter am Hofe Karls des Großen ging und um ein schmachtendes Mündel und seinen liebestollen Vormund (à la Bartolo im „Barbier von Sevilla“) nebst strahlendem Rittersmann nebst einem durch eine hermaphroditische Zauberin und einem Osmin-ähnlichen bärbeißigen Grantler bewirkten Happy-End. Dagegen nehmen sich „Les Indes galantes“ (wie gesagt: vor ein paar Jahren in Zürich) und „Platée“ (demnächst neu in Straßburg) wie musiktheatralische Models aus.

Alles in allem addierte sich die aufwendige Düsseldorfer Produktion zu einem Funkenflug der Pointen: atemberaubende Koloraturen, hochtrabende rhetorische Floskeln, flinke Märsche, donnerndes Getöse, hübsche Bläsereinwürfe (besonders für die Hörner und Oboen), abgrundtiefes Leid, zornige Eifersucht, finstere Morddrohungen, Keith-Haringsche Strichmännchen, süßes Geturtele – nur leider nicht das mindeste Fetzchen melodiöser Kantilene. Das war‘s dann auch schon. Und immer noch ein Tänzchen, artige Reverenzen und nicht ganz so artiges Po-Gewackele und Hüftgeschwenke der schamvoll verhüllten Blößen im Nuditäten-Kabinett. Selten so gelangweilt wie bei diesen „Paladins“ an der Deutschen Oper am Rhein!

 

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