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Was nicht in den deutschen Zeitungen und Zeitschriften steht

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Stuttgart, 10/08/2009

Doch, stand jetzt endlich – am 8. August 2009 in der Süddeutschen Zeitung: die bisher vermisste gründliche Auseinandersetzung mit der Hamburger Ausstellung „Tanz der Farben – Nijinsky und die Abstraktion“ – und zwar unter dem Titel „Elf Minuten für die Ewigkeit – Hundert Jahre Ballets Russes – Nijinskys Revolution des Tanzes wirkt bis heute nach“. Es ist ein brillanter Essay – mit das Beste, was ich in den deutschen Printmedien in der letzten Zeit gelesen habe –, in dem es der Autorin Dorion Weickmann gelingt, einen Bogen zu schlagen von dem Wirken Nijinskys als Tänzer, Choreograf und Zeichner bis zu Wayne McGregor, Sidi Larbi Cherkaoui und William Forsythe. Und damit bis zu John Neumeier, der der Visionär und Ermöglicher dieser Hamburger Diaghilew-Nijinsky-Recherche ist.

Es ist sozusagen die Antwort auf die Verleihung des Deutschen-Tanz-Jubiläumspreises für seine Lebensleistung. Und dieser Essay ist die angemessene Würdigung von Neumeiers diesbezüglichen Anstrengungen. Zwei weitere sehr positive Würdigungen seiner Einstudierung der „Möwe“ (The Seagull) beim National Ballet of Canada in Toronto sind in der amerikanischen Ballet Review (summer 2009 issue ) und in der Quaterly Dance View (ebenfalls Summer 2009) erschienen – und man weiß ja, dass die Amerikaner im allgemeinen ein zwiespältiges Verhältnis zu Neumeier haben (wie zu Béjart, Kylián, van Manen … und … und … und … – so ziemlich allen, die wir in Europa schätzen). In der Toronto-Version tanzt übrigens Zdenek Konvalina den Konstantin, Principal Dancer der Kompanie, der aus Brünn stammt. Als er kürzlich als Gast beim English National Ballet den Prinzen in „Dornröschen“ tanzte, hat ihn Clement Crisp in seinem London-Report in derselben Ausgabe der Ballet Review als eine Art Wunderknaben gefeiert und mit Oleg Sokolov, Lifar und Dolin verglichen: „Kovalina has their decorum of manner and command of a role. In the final wedding celebrations, with Daria Klimentova, his Aurora, he was princely in all things.“ Vielleicht ist er ja wirklich für eine Weltkarriere ausersehen.

In der englischen Dancing Times lese ich in der Juli-Ausgabe an drei verschiedenen Stellen Hinweise auf Crankos „Onegin“. Freda Pitt, die über „some thoughts on narrative ballet“ schreibt, nennt „Onegin“ „surely Cranko´s finest full-evening ballet, with its skilful characterisations and bravely unromantic ending.“ Gerald Dowler preist die Berliner Aufführung von „Onegin“ und besonders die Tatjana von Nadja Saidakova, aber auch Marian Walter als Lensky kommt gut weg, während er Ronald Savkovic in der Titelrolle eher enttäuschend fand. Überraschend scheint seine Wertschätzung für Elizabeth Dalton´s designs, „which in almost every way were preferable to the more usual Jürgen Rose sets and costumes.“ Und schließlich das Ballett der Pariser Opéra, das nicht weniger als 17 Vorstellungen von „Onegin“ ankündigte (was da wohl an Tantiemen zusammen kam – der Cranko-Erbe dürfte sich die Hände gerieben haben): „This happened largely thanks to the enthusiasm of star dancer Manuel Legris, wo is performing the title-role“, die er als seine Abschiedsvorstellung tanzte (er wird bekanntlich Chef des Wiener Staatsoper und Volksopern Balletts).

In der amerikanischen Dance View lese ich übrigens einen höchst informativen, nichts auslassenden Artikel über die diversen Nachfolgetruppen der Diaghilew-Kompanie: „Ballet Russe after Diaghilev” von George Jackson, dem hoch geschätzten Kollegen aus Washington, dessen Herz nach wie vor in Wien schlägt. Sehr lohnend ist dort auch der Report von Marc Haegeman über „Munich´s Annual Ballet Week: Migratory Birds and Diaghilevisms“ – eine detailliertere und kritischere (dabei durchaus freundliche) Auseinandersetzung mit Kyliáns „Zugvögeln“ als ich sie in irgendeiner unserer Gazetten gelesen habe. Dicke Luft beim Berliner Staatsballett, das sich offenbar von seiner eben noch zu ihrem siebzigsten Geburtstag gefeierten Ballettmeisterin Valentina Savina trennen will. Nichts Genaues war zu erfahren, da augenblicklich Theaterferien herrschen.

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