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Stuttgart, 02/10/2007

Nun ist auch das Amsterdamer Hans-van-Manen-Festival zu Ende gegangen – ein rauschender Erfolg für alle Beteiligten. Und dazu gehörten in den fünf Programmen auch drei deutsche Kompanien. Die Reaktionen der holländischen Zeitungen, die uns das Pressebüro der Kompanie hat zukommen lassen, fallen allerdings ziemlich mager aus. Im zweiten Programm war auch das Bayerische Staatsballett zu Gast – mit „The Old Man and Me“ und den „5 Tangos“. Im Tango-Ballett war es besonders Lucia Lacarra, die das Publikum begeisterte. Im „Telegraaf“ bestätigte ihr Eddie Vetter, genau den richtigen Punkt getroffen zu haben, „wenn sie die Bühne mit dem funkensprühenden Stolz einer richtigen Flamenco-Tänzerin beherrscht“.

Im vierten hatten es Schläpfers Mainzer dem „Telegraaf“-Mann besonders angetan – und zwar mit der „Fantasia“, die sie wie ein Juwel zum Funkeln brachten, „das danach verlangt, öfter gesehen zu werden“. Am gleichen Abend kamen die Stuttgarter mit dem eigens für sie geschaffenen „Corps“ zum Zuge, das den Kritiker von „Trouw“ (Treue) Sander Hiskemuller zu dem Statement inspirierte, dass es „van Manen von seiner dramatischen Seite zeigt. Und die Tänzer des Stuttgarter Balletts wissen, wie es zu tanzen ist: zwischen Liebe und Vergänglichkeit, Drama und Stärke: sie verleihen dem Ballett Flügel.“ Auch in der holländischen Kritik wird also offenbar mit Wasser gekocht.

Im Londoner Sadler‘s Wells Theatre hat Christopher Wheeldon – weiterhin resident choreographer des New York City Ballet – seine neue Kompanie vorgestellt. Sie nennt sich Morphoses, was unweigerlich Assoziationen zu Morpheus, dem Gott des Schlafes weckt, indessen wohl eher die einer Schlankheitskur unterworfenen Metamorphosen meint. Die englische Reaktion scheint laut John Percival (in der amerikanischen danceviewtimes – via Internet, sehr informativ) reichlich gemixt ausgefallen zu sein. Die Truppe besteht aus 20 Tänzern, hauptsächlich Solisten des New York City Ballet, vom American Ballet Theater und englischen Royal Ballet, darunter die Stars Alina Cojocaru, Johan Kobborg und Angel Corella. In den beiden Londoner Programmen, die live von einem Orchester begleitet wurden, gab es Ausschnitte aus Forsythes „Slingerland“, ein eher langweiliges Duo „Vicissitudes“ von Edwaard Liang und diverse Stücke von Wheeldon, darunter als Novität das 27 Minuten lange „Fool‘s Paradise“ und, laut Percival als entschieden besten Beitrag Balanchines „Allegro brillante“. Wheeldon im O-Ton „My vision is something that may not be fulfilled for five or six years. Dreams take time.“

Im Übrigen ist London vollauf mit der Nachlese der enthusiastisch aufgenommenen Bolschoi-Saison beschäftigt. Alexei Ratmansky, der neue Bolschoi-Chef, wird in den Himmel gepriesen und sein jüngst in Moskau herausgebrachter „Le Corsaire“ mit minimalen Einschränkungen über den grünen Klee gelobt (alle stöhnen über die exzessive Länge). Die neuen Bolschoi-Stars sind – wie schon in Baden-Baden und München – die blutjungen Natalia Osipova und Ivan Vasiliev als Kitri und Basilio in „Don Quixote“. Allen Robertson in „dance now“: „In all the years I’ve been watching ‚Don Quixote‘, both by the Bolshoi and many another companies, I can’t begin to conjure up a comparable performance“. D’accord! Aber vielleicht war er ja noch zu jung, als Bolschoi in den späten Sechzigern in Köln mit Maximowa und Wassiljew „Don Q“ getanzt hat – denn die waren noch um eine Klasse besser (ich muss ihm allerdings beipflichten: „Don Q“ von Bolschoi in München mit Osipova and Vasiliev war auch für mich die elektrisierendste Klassikervorstellung der Spielzeit 2006/07). Übrigens will sich Ratmansky in Moskau demnächst der „Flamme von Paris“ annehmen. Ihm würde ich selbst den unsäglichen „Roten Mohn“ zutrauen.

Im gleichen Heft von „dance now“ (autumn 2007) findet sich – neben vielen anderen hochinteressanten Beiträgen (und wenn wir uns in Deutschland schon rühmen „europe‘s leading dance magazine“ zu haben, befördere ich „dance now“ zum „leading dance magazine of the world“) ein Interview mit Tamara Rojo, eine der beliebtesten Ballerinen des Royal Ballet. Dort äußert sie sich unter anderem auch über Crankos „Onegin“: „She was the first-cast Tatiana in the Royal Ballet‘s premiere of ‚Onegin‘, but to her indignation was later taken out of the role by Reid Anderson, who has casting control over Cranko‘s ballets. I‘d been injured. Johnny Cope got ill, and I‘d rehearsed with Thiago Soares. Then at the last minute Reid said I shouldn‘t dance. I wasn‘t at my best. Fine, I said, if that‘s what you think. They asked me for this last revival but I said no. I have some self-respect and there are plenty more roles I would rather do.“

Im Interview heißt es dann: „Rojo is highly critical of the Cranko‘s estate‘s approach to revivals of his ballets. While she has her own axe to grind over casting, she points out that some of the world‘s finest dancers have been kept from performing ‚Onegin‘: Sylvie Guillem, Nicolas Le Riche, Carlos Acosta. MacMillan‘s ballets still look young and modern because dancers are allowed to make their own interpretation. So you have the best dancers developing Kenneth‘s choreography while respecting it. Cranko‘s choreography looks dated because it isn‘t taken any further. They should stop being so controlling, making everybody do the same thing. It‘s too contrived.“ Na, das kann dann ja spannend werden, wenn das Stuttgarter Ballett im März 2008 im Londoner Coliseum Crankos „Romeo“ tanzt!

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