Die Wasserschlacht von Kassel

Generalprobe für den neuen Glass- und Strawinsky-Ballettabend

oe
Kassel, 19/10/2007

Johannes Wieland heißt Kassels, jetzt in der zweiten Spielzeit amtierender Ballettchef – gebürtiger Berliner, bei Neumeier in Hamburg ausgebildet, eher Folkwang-orientiert, mit viel amerikanischer, auch bereits choreografischer Erfahrung, bei diversen Kompanien in den USA und Europa tätig, hatte in Amerika auch schon eine eigene Truppe – in Kassel ein Vierzehn-Tänzer-Ensemble. Auf dem Programm, das morgen Abend Premiere hat, zwei Stücke – von Philip Glass (die dritte Sinfonie) und Igor Strawinsky („Sacre du printemps“), beide live gespielt vom Orchester des Staatstheaters unter der Leitung von Rasmus Baumann. Choreografie und Bühne: Johannes Wieland; Kostüme: Evelyn Schönwald. Ein Mann mit ausgeprägt individueller Handschrift – modern, mit auffallend vielen fotografischen Gruppenporträts, irgendwo zwischen Installation und Environment, eben sehr Kassel-, sehr Documenta-geprägt.

Das erste Stück heißt „Portrait“. Porträtiert wird eine sehr heterogene Familie, jeder mit einer eigenen Macke. Eine ziemlich schreckliche Familie – sozusagen das Nachspiel zu Cocteaus „Schrecklichen Kindern“ und „Schrecklichen Eltern“, jeder ein Einzelgänger. Nur ganz am Schluss finden sie sich alle an einem Tisch vereint – aber ihr Zusammensein lässt nichts Gutes ahnen.

Aufregender ist „Sacre“ – weit entfernt von den originalen „Bildern aus dem heidnischen Russland“ – und auch von Strawinskys Musik. Sechs geheimnisvoll illuminierte Aquarien – dazwischen riesige weiß Stoffballen, die, wenn sie sich erst in Bewegung setzen, sich als Tüll oder weiße Gazeröcke enthüllen. Ein Hochzeitspaar, ganz in strahlendem Weiß – wie in „Les Noces“, aber ganz unrussisch. Das erinnert ein bisschen an McGregors „Nautilus“ in Stuttgart oder an Sasha Waltz‘ „Dido und Aeneas“ in Berlin, wenn die Tänzer mit ihren Gliedern und manchmal auch ganz ins Wasser tauchen.

Das Ganze mündet in einer ausgedehnten Wasserschlacht, in der die Tänzer sich gegenseitig bespritzen und hohe Wasserkaskaden in die Luft schleudern, während sich von oben kompakte Wasserfälle über sie ergießen. Dann gibt es allerlei rituelle Waschungen, bis alle pudelnass tropfend auf der Bühne stehen. Das ist zum Teil richtig lustig, in der Beleuchtung von Gerhard Jurkiewicz betörend schön anzusehen, wenn auch nicht einsichtig wird, wer oder was hier geopfert wird. Doch nicht etwa Strawinskys Musik? Ein Ballett wie für einen Kongress der Hydro-Adventisten. Aber vielleicht sieht das ja morgen Abend, bei der Premiere, alles ganz anders aus.

 

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