Ausgelagert

Cranko goes FITZ!

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Stuttgart, 24/11/2007

Eine der zukunftsträchtigsten Unternehmungen des „Cranko Moves Stuttgart“ Festivals ist sicher die Erkundung neuer Spielstätten, durch die sich das Stuttgarter Ballett zu alternativen Unternehmungen herausgefordert fühlt. Auch wenn das Theaterhaus immer mal wieder durch seine tänzerischen Ambitionen auf sich aufmerksam gemacht hat, so bedeutete die Produktion von „Don Q“ für Christian Spuck und die beiden Dioskuren Egon Madsen und Eric Gauthier den vielversprechenden Aufbruch in eine neue künstlerische Dimension (einmal ganz abgesehen davon, dass sie den Vorlauf für die neue Kompanie signalisierte, mit der Gauthier im Januar an diesem Ort starten will). Und Bridget Breiners exquisite „Zeitsprünge“ mit den Absolventen der John Cranko-Ballettschule im Kunstmuseum erwies sich im Zusammenhang mit der Baumeister-Ausstellung nicht nur als ein Sprung in einen ganz anderen Komplex von Räumlichkeiten, sondern auch als eine Erinnerung an eine lokale Tradition, die nahezu in Vergessenheit geraten ist (und auf die zurückzublicken Stuttgart durchaus stolz sein kann).

Und nun also eine erste Stippvisite an Stuttgarts Off-Broadway Distrikt, das FITZ! Zentrum für Figurentheater mit „Cranko Re-Flexions“, die anknüpften an Crankos erste Erfahrungen mit dem Puppentheater während seiner jungen Jahre in Südafrika. Schön zu sehen, wie diese externen Veranstaltungen vom Publikum honoriert werden – so jetzt auch die rappelvolle dritte von vier Vorstellungen im FITZ!, für die derart viele Extrastühle herangeschafft werden mussten, dass man sich fragte, was denn wohl die Feuerschutzpolizei dazu sagte. Eine faszinierende Idee, dieser Pas de deux für einen Tänzer, den sich Antje Töpfer und Florian Feisel mit Morgan Daguenet als musikalischem Zulieferer ausgedacht hatten (wohl nicht ganz ohne Hintergedanken an Hans van Manens „Solo“ für drei Tänzer): als Tanz für Tomas Danhel vom Stuttgarter Ballett mit einer Gliederpuppe, deren einzelne Körperteile, anfangs wie in einer orthopädischen Werkstatt von der Decke herabhängen, und die dann von Danhel mittels magnetischer Kugeln zu den abenteuerlichsten Figurationen zusammengesetzt werden.

Der eher treuherzig gutmütige Lockenschopf sieht sich dabei von den kuriosesten Kreaturen bedrängt, die einen ganzen Katalog von Fantasiegestalten assoziieren lassen: von dem schöpfungsstiftenden Finger Michelangelos über die Schreckgestalten eines Hieronymus Bosch, den dämonischen Ausgeburten eines E.T.A. Hoffmann, dem Prager Golem und dem Kafkaschen Gregor Samsa bis zu den Contergan-Opfern und den kybernetischen Robotern eines Second Life. Dabei erweist sich die Fantasie der beiden Autoren als ebenso unerschöpflich wie die mimischen und tänzerischen Ausdrucksmittel des Protagonisten, der hier beweist, welch ein kreatives Potenzial in einer bisher lediglich als Corps de ballet Mitglied zur Kenntnis genommenen Künstlerpersönlichkeit zu entdecken ist. So dass man sich wünscht, eins unserer choreografischen Junggenies möge ein Ballett nach Goethes „Zauberlehrling“ für ihn schaffen. Wonach wir doppelt gespannt sind auf Marco Goeckes hoffentlich nur aufgeschobenes „Herzrasen“, mit dem er sich auf die Recherche nach den tänzerisch-räumlich-skulpturalen Erkundungen der Staatsgalerie zu begeben angekündigt hat.

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